Montag, 2. Mai 2011

Reisegesundheit

Bekanntlich schätzt man den Wert der Gesundheit erst richtig, wenn einem die Verletzlichkeit des eigenen Körpers durch Krankheit oder Unfall und den damit verbundenen Schmerzen so richtig bewusst wird. In der Fremde kann einem dies psychisch besonders hart treffen, sehnt sich doch der Kranke nach Ruhe, Geborgenheit und vertrauten Menschen. Vielleicht sind deshalb Krankheiten in unbekanntem Umfeld unter den Reisenden besonders gefürchtet. Kommt hinzu, dass die europäischen Ärzte, insbesonders die Tropenspezialisten, ein- und oft aufdringlich vor lauernden Gefahren warnen. Sind dann die Tropenreisenden Kleinkinder, wird ein solches Unterfangen oft nur noch mit Kopfschütteln und Sorgenfalten quittiert.
Auch wir hatten zu Beginn unserer Reise gewisse Bedenken, wie die Kinder mit Klima, Essen und den überall präsenten Moskitos umgehen können. Eher vorsichtig starteteten wir ins klimatische und kulinarische Neuland mit Antimückenspray und homöopathischer Reiseapotheke.
Nach 8 Monaten unterwegs können wir auf die gesündeste Kinderzeit zurückblicken, die wir je erlebten. Allen Warnungen zum Trotz haben wir weder Magenprobleme, Fieber oder Infektionen erlebt. Abgesehen von einigen Würmern, die wir schmerzlos entfernen konnten, sind wir glücklicherweise von Krankheiten verschont geblieben. Ist dies ein Zufall oder hat sich einfach unser Vertrauen auf den intuitiven Ratgeber ausbezahlt? Schon seit Beginn unserer Reise hielten wir uns diszipliniert an 4 Grundregeln: Genügend Schlaf, einheimische Kost und Essgewohnheiten annehmen, immer genügend sauberes Wasser trinken und regelmässige, dem Klima angepasste Bewegung. Diese völlig banalen und intuitiv jedem einleuchtenden Prinzipien reichen aus, um das Immunsystem ideal auf die klimatischen und kulinarischen Herausforderungen einzustellen. So bemerkten wir sehr bald die heilende Kraft der laotischen Krautküche mit Nudelsuppe zum Z'morge oder das bhutanesische Chili-Gericht Ema Datsi gegen Kälte und Hunger. Wer Zeit hat unterwegs, muss sich weder durchimpfen lassen noch eine mit Chemie vollgestopfte Reiseapotheke mitführen. Was bei uns sowohl eine psychologische Unterstützung, wie auch für Notfälle immer zur Hand war, reduzierte sich auf die kleinen weissen "Kügeli" aus der Schweiz. Die Homöopathie kann vor allem für die Kinder zu einem treuen Begleiter werden. Gerne hätte ich die lokalen traditionellen Heilkräuter und -praktiken der spannenden Gegenden, die wir bereisten noch besser kennengelernt. Ob die medizinische Botanik in Bhutan oder das fast grenzenlose Spektrum chinesischer Heilmittel hier in den alten Apotheken Hongkongs: Die Neugier wäre geweckt, um Parallelen und Unterschiede im traditionellen Umgang mit Krankheit und Gesundheit auszuloten. 
In der heutigen Morgenfrühe treffe ich an einem sehr sauberen, breiten Strand ausserhalb Hongkong's die pensionierten "Morgenschwimmer". Überall plantschen sie im Wasser, widmen sich dem Tai Chi am Strand oder Meditieren im Sand, vorwiegend Pensionäre, die genügend Zeit finden, sich der Gesundheit zu widmen. Dieses morgendliche Treiben führt mir vor Augen, dass beim Reisen die Bewegung manchmal zu kurz kommt. Was bei den Kindern höchstens bei nicht endenden Busfahrten eine Sorge war, versuchten Mei und ich mit Yoga und Rückentraining zu kompensieren. Dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass Sport während unserer Reise eine sekundäre Rolle gespielt hat. Seit wir in China und in Hongkong weilen ist die zweite Regel der lokalen Ernährung irgendwie durcheinandergeraten. Das urbane Treiben der kosmopolitischen Küche bietet ein scheinbar unendliches Angebot von billigem Fast-Food bis zu den noblen europäischen Gourmet-Tempeln. Irgendwie schaffen wir es nicht mehr auf die lokalen Essgewohnheiten zurückzugreifen, da sich hier alles vermischt und zu jeder Tageszeit, jedes erdenkliche Mahl verspiesen wird. Langsam aber sicher sehne ich mich nach einem Stück gereiftem Alpkäse und knusprigem, dunklem Brot.