Montag, 31. Januar 2011

Gesichtsbücher


Wenn meine Blicke durch die Internetreisewelt schweifen und ich all die leicht verkrampften, konzentrierten Gesichter beobachte, dann sehe ich auf mindestens jeder zweiten Bildschirmoberfläche dasselbe Layout: Facebook! Das weltumspannende soziale Netzwerk hat beängstigende Ausmasse angenommen, die an George Orwell und Aldous Huxley erinnern.
5'480'000'000 mal in 0,9 Sekunden findet Google das Wort "Facebook. Dies bedeutet fast doppelt so viele Treffer, wie für "Google" selber und beinahe ein Treffer pro Erdbewohner. Überall liegt das offene Gesichtsbuch, das sich scheinbar grenzenlos vervielfacht und andauernd Geschichten produziert im Echtzeittempo. Ein Buch ohne Anfang und Ende, ein Blick in die grenzenlosen Möglichkeiten der virtuellen Welt, die rasante Ausdehnung einer sozialen Explosion, ein Labyrinth, indem Jose Luis Borges' unendliche Bibliothek in Bildern sich wiederfinden lassen würde.
Fluch und Segen des virtuellen Paralleluniversums können den Globetrotter nicht unberührt lassen. Mir graut es ob so viel Gleichförmigkeit, so viel oberflächlichem Geschwafel, so viel Zeitfresserei und Energieverlust. Als ob uns das reale Leben nicht genug abverlangt, oder wir nicht ausreichend kommunizieren würden. 
Viele Kontroversen und Diskussionen wurden und werden noch ausgetragen zum Thema "Facebook" und es gibt zahlreiche Argumente, Facebook als Fluch in die Pfanne zu hauen oder als Heilsbringer hochzujubeln. 
Die Erfahrungen auf den Philippinen haben mir eines klargemacht: Für weite Kreise einer relativ armen Bevölkerung ist das Internet die einzige Reisemöglichkeit und Facebook der billigste Treffpunkt, Beziehungen über das eigene reale Dorf hinaus zu unterhalten. An den meisten Orten, wo wir hinkommen, ist nicht mehr Email gefragt, sondern Facebook. Da auch Lia schon öfters gefragt wurde wegen ihrer Facebookseite, dachte ich mir, ich könnte ja für meine Tochter ein Account eröffnen, zwecks Austausch für Reisekontakte. Da musste ich dann zuerst feststellen, dass Kinder unter 13 Jahren noch nicht zugelassen sind. Natürlich ist es möglich, dies zu umgehen und so habe ich trotzdem ganz naiv eine Seite für Lia erstellt. Da ich ein überzeugter "Nicht-Facebooker" bin, konnte ich auf diese Weise meine latente Neugier doch noch stillen. Schon bald erhielt ich dann regelmässig Nachrichten, die ersten Freunde und der übliche Kommunikationsmüll, der zu einem solchen Netzwerk eben gehört. Gestern erhielt ich eine freundliche Nachricht, dass auf der Facebookseite von Lia Sophia Sauser "verdächtige Aktivitäten" festgestellt wurden und das Konto gesperrt wurde. Diese Nachricht war für mich die Erlösung: Was ursprünglich aus einem sozialen Gedanken entstand, hat sich innert kürzester Zeit in ein Gefühl der Verpflichtung und der Abhängigkeit verkehrt. Eines aber hat uns dieser Test im Buch der Gesichter gelehrt: Irgendwo funktioniert ein gewisses Kontrollsystem glücklicherweise so gut, dass dies ein positives Argument für die Facebook-Gemeinde liefert. Als Skeptiker gebe ich mich vorerst mal geschlagen: 1:0 für Facebook!  

Freitag, 28. Januar 2011

Mekong

 Auf einer Länge von 1800 Kilometern meandert die Lebensader von Laos durch's Land. Meistens liegt der Mekong auf der laotisch-thailändischen Grenze. Seine typisch braune Farbe prägt ihn sowohl während der Regen- wie auch der Trockenzeit. In einem Land, wo nur wenig Infrastruktur durch das unwegsame Gelände Mobilität ermöglicht, ist die Wasserstrasse immer noch ein bedeutender Transportweg. Transportschiffe kreuzen denn auch regelmässig unser Slow-Boat, das gemächlich flussabwärts tuckert. Meistens sind Holzstämme geladen, die von den Arbeitselefanten bis zu den Sandbänken aus dem Wald gezogen werden. Ab und zu erblicken wir die ruhig und bedacht arbeitenden Riesen, die von der Illegalität ihres Tuns natürlich nichts wissen. Denn um das Abholzen der Wälder zu verhindern hat die Regierung ein Verbot der unkontrollierten Waldnutzung erlassen. Trotzdem werden immer noch um die 100'000 Hektaren pro Jahr gerodet. Genaue Zahlen gibt es natürlich nicht und für den Laien ist das ganze Land noch mit Wald bedeckt, denn offene Flächen scheint es nur in den Reisgebieten zu geben. Ansonsten dominiert eine faszinierende Vielfalt von Waldtypen, die von tropischem Regenwald bis zu den trockenen Kieferwäldern in den höheren Gebieten reicht.Ca. 10 Stunden verbringen wir auf dem Schiff von Pakbeng bis Luang Prabang. Auf dem Boden vor der Kaffeebar haben wir unseren "Playground" eingerichtet. Da das Boot eher überfüllt ist, wird auch noch im Gepäckraum geschlafen und Kaffee gebraut. Immer wieder steigen Einheimische zu und aus, in jenen Dörfern, die sonst nur von grünem Dickicht umgeben sind und vermutlich auch in den nächsten 50 Jahren von keiner Strasse erreicht werden. Während die Mädchen auch nach Stunden immer noch unermüdlich malen, taucht der Mekong langsam in die leuchtenden Farben des Abendlichtes. Wegen dem tiefen Wasserstand ragen überall zackige Felsen aus dem Wasser, was dem Kapitän nur wenig Entspannung erlaubt. Schon glauben wir, die Sonne verabschiedet zu haben, da schicken die letzten Strahlen aus dem Westen nochmals die Abendbeleuchtung auf die Hügel ringsum Luang Prabang. Mit unrealem Kitschhimmel werden wir märchenhaft an unserem Ziel empfangen.
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Mittwoch, 26. Januar 2011

Enya's Geburtstag


Die Nacht war so kalt wie noch nie seit wir unterwegs sind. Der Morgendunst liegt immer noch kühl über Chiang Khong am thailändischen Mekongufer. Kaum wärmen die ersten Sonnenstrahlen unsere verschlafenen Glieder, fahren wir bereits los zum thailändischen Grenzposten, wo dieselben Strahlen magisch goldgelb in den träge dahinfliessenden Wassermassen glitzern. Am Grenzposten wird Enya von den herumstehenden Grenzbeamten begrüsst. Die Passkontrolle bezeugt es: Sie ist das heutige Geburtstagskind. Ihre Augen leuchten, sie hat einen guten Tag erwischt und strotz vor Selbstvertrauen. Auch ihr Blick schweift ans andere Ufer. Wir überqueren mit dem Longtailboot, gut bepackt wie üblich mit Kinderwagen und Schwyzerörgeli, den legendären Grenzfluss zwischen Laos und Thailand. Mit den 3 Mädchen geniessen wir auch Vorzugsbehandlung für die laotischen Formalitätesprozedur und werden so quasi durchgewunken zum kleinen Bruder Thailand's.Die kleinste Schwester des 3 Mädelhauses macht schon mächtig Stimmung im Tuk-Tuk und während des staubigen Wartens. Mit ein wenig Verhandlungsglück fährt das Geburtstagskind doch noch gratis mit. Da dies mit der hiesigen Bürokratie nicht vereinbar ist, musste sie von der Passagierliste offiziell gestrichen werden. So hat sie nun das Privileg als offizielle Schwarzfahrerin, als Nicht-Passagierin, ihren Geburtstag zu zelebrieren. Am Mittag besteigen wir endlich unseren Mekong-Kahn : Ein altehrwürdiges Holzschiff, das schon einige Flussgeschichten über Deck gehen liess. Mir scheint's als ob es das Flusstempo als sein Herzschrittmacher gebucht hat.
Enya ist inzwischen eingeschlummert, um für die bevorstehende Geburtstagsfahrt so richtig fit zu sein. Die Reise führt durch teils völlig unberührte Gebiete vorbei an schroff schwarzen Felsen, weiss schimmernden Sandbänken und grün leuchtendem Wald. Das volle Boot gleicht einer ausgebuchten Touristenschaukel. Für Einheimische hat's heute nur wenig Platz, deshalb halten wir während den 6 Stunden Fahrt nur gerade einmal, um zwei Beamten abzuladen und einen Stempel einzuholen.
Endlich, direkt hinter dem Rücken des Kapitäns, zünden wir die zwei Kerzen auf dem 7Eleven-Weissbrotkuchen zur Feier des Tages an. Während diese im Fahrtwind flackern, stimmen wir ein kräftiges "Happy-Birthday" an. Das halbe Boot singt sofort mit, sodass unsere kleine Prinzessin so verlegen wird, dass ihre leuchtenden Augen feucht werden. Sie fängt sich auf und als sie zum Höhepunkt ein richtiges "Bääbi" auspackt und in die Höhe streckt, plappert sie wie wild drauf los und strahlt über unseren Kahn in den Mekong hinaus.

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Samstag, 22. Januar 2011

Bergluft

Mit Daunenjacken, Wollmützen und farbigen Handschuhen warten die  Sonntagsausflügler, mehrheitlich Thais, vor dem grossen Holzschild auf dem Gipfel des Doi Inthanon in der Schlange, bis sie das lange erwartete Gipfelphoto knipsen können: The highest Spot of Thailand, 2565,3341 meters above sea level.
Kühl ist es unter dem moos-und flechtenbehangenen, grünen Vorhang des dichten Bergwaldes. Von Gipfelgefühlen kann für schweizerische Ansprüche keine Rede sein, da das Gelände zu flach ist und einen Rundblick durch die dichte Vegetation verunmöglicht wird. Der Aufstieg war für die meisten lange, aber nicht anstrengend, da eine gut ausgebaute Strasse bis zum Schrein des Herrschers über die Chiang Mai-Region aus dem 19. Jahrhundert führt. Die königliche Asche liegt genau auf dem höchsten Punkt des Landes. Ohne Strasse, hätten die meisten Thais wohl einen anderern Pilger-, bzw. Sonntagsausflugsort gewählt.
Unweit des Gipfels hat die thailändische Armee ihrem Königspaar zwei Pagoden zum 60. Geburtstag geschenkt. Beim Aufstieg auf die Terrassen der Mahnmale eröffnet sich ein gewaltiger Fernblick Richtung Westen, wo sich die burmesische Grenze im Dunst versteckt. Hier kommt doch noch so etwas wie Gipfelstimmung auf. Auch die Thais sind in ausgelassener Stimmung, der Berg strahlt als Pilgerort eine gewisse Magie aus, die sich durch das Abendlicht allmählich noch verstärkt.
Als Schweizer pflegen wir eine gewisse Hochstilisierung der Bedeutung der Berge und des Gipfelerlebnisses: Die Freiheit paart sich mit der Natur so, dass die Nähe der Götter spürbar wird. Nicht selten schwingt dann fern von den Alpen ein pathetischer Nachklang beim Thema "Berge" mit. Im Glanz der beiden Pagoden verspüren wohl auch die Thais so etwas Ähnliches. Allerdings habe ich bei den meisten den Eindruck, dass sie froh sind, nicht noch länger dem sehr kühlen Wind ausgesetzt zu sein.
Der erhabene Blick ins Tal überfliegt das Gebiet der Karen, einem Bergvolk, das in diesen teils sehr entlegenen Tälern, noch mehr oder weniger ursprünglich lebt. Sie wurden neben einigen anderen Minderheiten in dieser Region vom König in einem grossen Programm von der Opiumproduktion zur "nachhaltigen Berglandwirtschaft" umerzogen. Auch wenn diese Bergleute von Armut, Alkoholproblemen und einem immer grösser werdenden Touristenstrom geplagt werden, treffen wir auf sehr friedliche, zufrieden wirkende Gesichter, als wir in einem Dorf eine "Touristenrunde" drehen. Die Berge haben sie gezeichnet, die kühle Luft hält sie aktiv und die Nähe der Götter scheint ihnen immer noch sicher zu sein.

Freitag, 21. Januar 2011

Lächeln bitte!

Im Land des Lächelns strapazieren die eher ernsten und leicht angespannten Gesichter der Touristen oft die so frohe Thai-Mentalität. Umso mehr wir uns an der Touristenfront bewegen, desto aufgesetzter ist das Lächeln. Häufig verschwindet dies verständlicherweise ganz. So hören wir auch von vielen Reisenden, dass in den momentan überfluteten Touristengebieten sowohl der Charme wie auch die gute Laune verflogen sind. Der Massentourismus und die Mentalität gewisser Urlauber haben dazu geführt, dass die spontane Freundlichkeit der Thais im besten Fall noch zur Dekoration eingesetzt wird.
Kaum landen wir wieder einmal im Hinterhof oder an einem Ort, der weder aufgesetzte Idylle noch kommerzielle Ansprüche ausstrahlt, ist das natürliche Lachen wieder die dominierende Kommunikationsform. Dass der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ein Lächeln ist, haben die Thais so verinnerlicht, dass der sonst eher dürftige englische Austausch  Nebensache wird. Dies wird durch die Kinderkommunikation noch verstärkt. Das erlösende Lächeln der Kinder ersetzt dadurch oft die eher anstrengenden, sich wiederholenden Small-Talks mit den Einheimischen. Mit Lächeln geht es immer irgendwie.
So zum Beispiel auf dem Markt beim Feilschen: Wer nicht lächelt kommt weder auf einen guten Preis, noch auf gute Qualität. Mei hat dies schon mehrmals erfahren und bemerkt, dass mit zu viel Ernst das Spiel schnell verdorben ist. Ein Lächeln versüsst jedes Verhandeln und muss als Strategie eingesetzt werden, um zum Ziel zu kommen.
Das Lachen ist Dauer-Programm und erleichtert deshalb so ziemlich alles, was zum Leben gehört. Vielleicht ist dies mit ein Grund, wieso Kinder so beliebt sind hier, denn das Kinderlachen kennt noch wenig taktische Spielchen und strahlt gerade deshalb so natürlich und spontan in die Welt hinaus.
Da das Lachen mit all seinen Fazetten den Umgang zwischen Thais und Reisenden prägt, wirkt es umso befremdender, wenn dieses Zeichen ausbleibt. Die fehlende spontane Freundlichkeit wird für uns zum Symbol von Orten, die zu meiden sind. Diese Orte können auf den ersten Blick noch so idyllisch, bezaubernd oder attraktiv wirken. Wenn das Zeichen eines frohen Gemütes verschwunden ist, ziehen wir jeden Hinterhof oder Wartesaal vor, der vom Hauch des Thai-Blinzeln besonnt ist.

Donnerstag, 20. Januar 2011

Schnappschluss

Google-Photos für Kamerapannen
Ein grosser Teil der Reisezeit bei allen Typen von Reisenden wird der Photokamera gewidmet. Sie scheint als vorherrschende Erinnerungstechnik die Welt der Touristen zu dominieren. Nicht nur während den zahllosen Eindrücken, die während des Tages festgehalten werden, prägt das Fotografieren den Blick des Neugierigen. Auch abends, im Zug oder Bus, manchmal an den unmöglichsten Orten, frisst das Sortieren der besten Bilder, das Versenden und Bearbeiten enorm viel Zeit.
Wir sind im Elephanten-Camp in Chang Mai und schauen den Elephanten bei der Morgendusche im Fluss zu. Eindrücklich nicht nur für die Kinder, was in dieser Elefantenschule mit 71 Elefanten alles so abgeht. Wie viele andere versuchen auch wir an diesem Morgen das Spektakel abzulichten, die spektakulären Momente einzufangen und visuelle Erinnerungen zu sammeln. Doch bei eben dieser Morgendusche versagt die Technik, nichts geht mehr und wir sind gefordert, sobald wie möglich, den Fotoblick aufzugeben, und die Eindrücke ganz natürlich reinzuziehen, ohne den Gedanken an das nächste Bild. Durch den Verlust der Kamera wird diese Übung sehr spannend und wir haben endlich Zeit, all diese Foto-Junkies, zu denen wir bis vor kurzem noch gehörten, genau zu beobachten.
Google-Photos für Kamerapannen
Gebannt verfolgen wir die eindrücklich dressierten Elefanten, zuerst mit ein wenig Wehmut nach der Kamera, dann immer entspannter ohne den weitverbreiteten "Fotoröhrenblick". Beim genauen Beobachten der blitzenden, filmenden und posierenden Touristenschar erscheint die Photomanie immer absurder: Gestresste Familienväter, Perspektivendiskussion, Filmpositionen und genervte Fotofreaks europäischen Schlags gehören ebenso dazu wie das ewige Posieren der Asiatenfamilien im kitschig romantischen Stil.
Als wir am Ende der Elefantenshow wieder einmal zum beliebten Fotosujet werden, mischen sich auch noch die Elefanten unter uns. Es wird gefüttert, gelacht und posiert. Natürlich spielen da auch die Elefantenführer mit und verdienen dabei nicht schlecht. Das Spiel geht so weit, bis mich ein Elefant mit dem Rüssel nicht mehr loslässt weil  das erlösende Foto nicht kommt. Da unsere Kamera nicht mehr mitmacht, verletzen wir die Regeln dermassen, dass weder Elefant, noch Elefantenführer noch die umstehenden Touristen uns verstehen können. Schliesslich löst sich der Rüssel doch noch von meinem Hals und wir ziehen alle mit Johlen und Gelächter ab.

Montag, 17. Januar 2011

Riesenpandakult

Am 27. Mai 2009 war es soweit: Linhui hat um 10.39 ihr ersts Baby zur Welt gebracht. Ling Ping, so heisst das Kleine, ist seither die grosse Attraktion im Zoo von Chang Mai, wo die einzigen Riesenpandas Südostasiens ein "luxuriöses" Dasein geniessen. Wir stehen beeindruckt vor dem Vater Ling Ping's. Es ist für uns alle das erste Mal, dass wir den längst zum Kult gewordenen Bären quitschlebendig vor uns sehen.
Nicht lange ist es her, als im letzten Winter beim Berner Bärengraben zur grossen Überraschung aller zwei kleine Bärchen zur Höhle herauspurzelten. Mit dem Jöh-Effekt war der Finanzskandal des frisch eröffneten Bärenparks rasch vergessen und die drollig verspielten Jungbären turnten sich in die Herzen von Millionen. Auch wir waren damals dabei als in der Frühlingssonne Purzelbäume geschlagen und und die spriessenden Bäumchen zu waghalsigen Schaukeln wurden.
Das Kuschelbär-Image scheint ein weltumspannendes Phänomen zu sein. Nicht nur wegen dem chinesischen Habitats-Monopol des Riesenpandas hat das LOGO-Tier des WWF eine weltweite Sonderstellung. Jeder Zoo, der privilegiert ist, diese seltenen Bären zu beherbergen hat einen Kassenschlager auf sicher. Die Knut-Geschichte kann da Bände sprechen. Aber auch die Rückkehr des Bären in freier Wildbahn wurde geprägt durch eine sehr eigenartige Einstellung gegenüber dem so tollpatschig daherkommenden Plattfüssler.
Lia und Simea schauen sich den Dokumentarfilm von der Geburt bis zum ersten Geburtstag ganz gebannt an. Den Bären hier geht es besser als vielen Menschen in Thailand. Hat eine Spezie einmal Kultstatus erreicht spielt die sonst so anthropozentrische Sichtweise der Dinge keine Rolle mehr. Kein Aufwand wird gescheut, um die Tiere so zu halten, dass der Tierschutz ihnen gerne wieder ein bisschen mehr Dreck gönnen würde. Ich stehe vor der Fotogallerie, wo sich die Schönheitsprinzessinnen mit der Pandafamilie ablichten liessen. Auch der König war schon da und eine Reihe von Politikern mussten den Publikumslieblingen die Ehre erweisen. Soviel Tierliebe kommt einem schon fast unmenschlich vor... Nichtsdestotrotz, wir haben erstmals die Riesenpandas hautnah erlebt...

Sonntag, 16. Januar 2011

Gepäck-Kur

Bangkok ist zur Drehscheibe unserer Reise geworden. Immer wieder kehren wir zurück zum thailändischen Knotenpunkt, zum Ameisenhaufen des boomenden Lächelns, zum Reise-Schlaraffenland übermüdeter Heimatloser. Jedes Mal zeigt sich uns wieder eine andere Seite dieser Mega-Metropole. Jedes Mal sind wir wieder so anders gestimmt, dass wir uns erfreuen, ermüden, amüsieren oder untergehen im endlos pochenden Rhythmus des Kochens, Handelns und Schreiens.
Wir sind vor 4 Monaten losgezogen mit gegen 60 Kilogramm Gepäck. Nun lassen wir bei jedem Boxenstopp in Bangkok mehr Ballast in unserem Gepäck-Depot zurück. Das warme, trockene Klima trägt dazu bei, dass wir einiges an Volumen verloren haben. Vor allem bemerken wir nach und nach, wir wir uns selbst mit 3 Kindern auf sehr wenig beschränken können. Wichtig bleiben die kleinen Dinge wie Stofftierchen, Malsachen und ein paar wenige Büechli für die Mädchen, an denen sie sich ständig orientieren können. Auch Mei und mir geht es ähnlich: Schwyzer-Örgeli, Yoga-Mätteli, ein Buch und das Mini-Notebook, Kleider werden irgendwie so unwichtig, als ob sich diese langsam aus dem Koffer geschlichen haben.
Gepäck ist sowohl Symbol des Loslassens wie auch des Anhaftens. Umso länger wir unterwegs sind, desto mehr verwandelt sich materielles Gepäck in Reiseerinnerungen. Solange wir uns nicht vom "Souvenir-Syndrom" anstecken lassen, laufen wir nicht in Gefahr, das sich unsere Kilos wieder anhäufen. Wir durchlaufen deshalb eine wohltuende Entschlackungskur auf unserer Reise nach Laos, wo wir nicht mehr den thailändischen Standard der öffentlichen Verkehrsmittel antreffen werden. Nicht nur bei den nun immer häufiger anzutreffenden Mönchen im Norden Thailands, sondern auch sonst bei den reisenden Thais staune ich ob dem wenigen Gepäck, das die meisten mitführen. Als Reisende mit Kindern scheinen wir vergleichsweise doppelt beladen, da wir Enya oft auf dem Rücken mittragen oder im Wägeli mitstossen. Inzwischen sind wir mit unserer Karawane aber so gut durch die Gepäck-Diät gekommen, dass wir bis auf unter 40 Kilogramm abgemagert sind. Davon gehören wohlverstanden 7,5 Kilo dem Schwyzerörgeli...

Freitag, 14. Januar 2011

Buddhakinder

Inwiefern hilft der Buddhismus bei der Kindererziehung mit? Lernt uns der buddhistische Weg den Umgang mit Kindern? Lernt uns allenfalls der Buddhismus etwas über die Kinder? Oder suchen wir vergebens ein "Werdet wie die Kinder!" in der Tradition Buddhas? Gehört den Kindern das Nirvana wie das Himmelreich?
Wenn der Weg das Ziel ist, wie sollen wir dann unseren Kindern Manieren beibringen oder sie zur Selbständigkeit erziehen?
Eher ratlos schwimme ich in den alten Pali-Texten der Lehrgedichte und Geschichten aus Buddhas Zeiten. Bisher scheint guter Rat teuer, inwiefern die buddhistische Überlieferung als pädagogische Inspiration dienen könnte. Die Suche endet bei philosophischen Konstrukten in einer Sackgasse. Umso spannender zeigt sich aber die Praxis über die Jahrhunderte als ein Weg des Lernens, Übens und der Disziplin. Dieser Weg ist im Kinderalltag ebenso steinig wie voller Überraschungen, ebenso ermüdend wie erfüllend. Deshalb lohnt es sich bei den zentralen vier Grundgedanken des Buddhismus vor allem den letzten, den praktischen "Wanderführer" des achtfachen Pfades genauer anzuschauen. Im Gefüge zwischen Weisheit, Sittlichkeit und Vertiefung rücken Achtsamkeit und Gelassenheit in den Fokus der erzieherischen Herausforderung.
Wenn im Bus alle 3 Mädchen gleichzeitig auf das überflutete Bus-WC stürmen, Lia und Simea in der Tempelanlage plötzlich aufeinander eindreschen oder Enya Tischtücher und Wände in aller Ruhe bemalt, dann ist Handeln gefordert. Gutgemeinte Tipps und Tricks versagen oft in der Hitze des Gefechts. Das richtige, spontane Handeln, ohne Wutausbrüche und genervte Kraftausdrücke sollte sich jederzeit an den wohlklingenden Idealen des Buddhismus orientieren können. Solche Alltag-Stresssituationen können aber nur durch die regelmässige Pflege der Achtsamkeitsübungen besser gemeistert werden. So kann unser Bewusstsein eingestimmt werden, um all den Kinderüberraschungen gelassen entgegenzutreten. Durch die Praxis der Achtsamkeit können wir dem Augenblick so entgegentreten, wie es die Kinder natürlicherweise auch tun: Voll und ganz im Hier und Jetzt eintauchen, um den gegenwärtigen Moment mit Aufmerksamkeit zu füllen.
Die Kinder sind unsere ständig präsenten Zen-Meister: Sie holen uns immer wieder zurück in den gegenwärtigen Augenblick und sind die besten Lehrer, um uns zu zeigen, dass nichts bleibt wie es ist.

Mittwoch, 12. Januar 2011

Vertrautheit

Der ständige Ortswechsel verlangt von jedem Reisenden eine gewisse Flexibilität, die entweder von Neugier und Entdeckungsdrang oder Ruhelosigkeit und Sehnsüchten versorgt wird. Die Kinder reagieren mit einer beeindruckenden Natürlichkeit auf diese Dynamik. Während sich der erwachsene Reisegeist oft mit Gedanken zu neuen Plänen und Zielen beschäftigt, lebt die Kinderwelt ständig im Sog des Augenblicks. Es ist genau diese Sorglosigkeit, die wir brauchen, um den Lauf der Dinge im Alltag so rollen zu lassen, dass wir zielstrebiges Planen und europäisches Effizienzdenken über Bord werfen können.
Mei und ich benötigen mehr Zeit als die Kinder, bis wir uns irgendwo so richtig wohl fühlen können. Oft erliegen wir Vorstellungen oder Idealen aus der Fülle von Informationsquellen, die bei der Ankunft an einem neuen Ort zuerst abgebaut werden müssen. Die Kinder fühlen sich im schmutzigen Hinterhof genauso wohl wie im Luxushotel, da sie aus einer unverdorbenen Wahrnehmung die Welt akzeptieren und verarbeiten. Solange kein Hunger und keine Müdigkeit aufkommen und die Eltern als Zentrum der Welt nicht fehlen, wird in allen Situationen Vertrautheit geschaffen: Enya mit der unermüdlichen Nachahmung der Sprachen, Simea mit ihren "Sächeli", die sie immer im Rucksack mit sich herumträgt, Lia mit ihren Fragen und Geschichten.
So kommen wir überall an den neuen Orten mit einem kindlichen Blick nach vertrauten Referenzen an. Wenn die wenigen Orientierungspunkte vorhanden sind, werden auch die unmöglichsten Orte wie Bushaltestellen und Warteschlangen zu Kinderinseln von naiver Verspieltheit im Hier und Jetzt. Aus dieser Sicht werden die Kinder zum ruhenden Pol eines Geistes der bei sich zu Hause bleibt, unabhängig von der Aussenwelt.
Kinder laden ein, die Dinge so hinzunehmen wie sie eben heute gerade sind. Aus diesem Jetzt wird dann der Kinderbrei gekocht mit Spiel, Musik und Malen, wie er spontan ohne Rezept entstehen kann. Das Treibenlassen wird zum Programm, bei dem wir als Eltern die Richtung angeben. Schaffen wir es die Animation auf eine Minimum zu reduzieren, entfaltet sich eine Kunst des Gehenlassens, die wir immer wieder üben. Die beruhigende Vertrautheit der Kindergewohnheiten wird so zum Leitfaden unserer Wahrnehmung von neuen, oft gewöhnungsbedürftigen Welten, Menschen und Orten.
Als idealer Fixpunkt des "Zuhause-Fühlens" hat sich hier eine Kaffeebar und Aufbackbrot-Bäckerei entpuppt: Jeden morgen trinke ich mit den Kindern auf einer ungemütlichen Veranda den besten Kaffee weit und breit und wir schauen den Affen auf der gegenüberliegenden Strassenseite zu, wie sie an den Stromkabeln herumturnen und an Glückstagen auf verwertbare Köstlichkeiten der Vorbeigehenden warten.

Samstag, 8. Januar 2011

Sea-Front

Irgendwie ungewollt sind wir auf einer Party-Insel gelandet, die ihren thailändischen Charme auf den ersten Blick völlig verloren hat. Die ganze Westseite Ko Chang's gleicht einem debilen Jahrmarkt, wo überall dasselbe angeboten wird für eine Kundschaft, die nicht mehr weiss, was sie noch nicht konsumiert hat. Die sonst so natürliche Freundlichkeit der Thais ist verständlicherweise je mehr getrübt desto grösser die Anzahl der zu bedienenden Touristen ist. Trotz der momentanen Hochsaison, sind nicht alle Bungalows und Zimmer besetzt. Liegt es an den politischen Unruhen im letzten Frühling? An einer Wirtschaftskrise? An veränderten Reisetrends?
Da wir nichts gebucht haben, sind wir in einem trendigen Ort der Travellerszene neben Müllhaufen und Kuhfladen im Hinterhof gelandet. Die Stimmung ist gedämpft. Enya leidet an Schlafmangel und trotzt sich die Müdigkeit aus dem Leib. Dazu kommen die unangenehmen Geräusche der Filmvorführungen, die jeden Abend auf der Leinwand über dem Meer abflimmern und die Strandparties, die jeden Abend ins Meer hinausdröhnen. Wir sind von den wuchernden Tourismusemissionen eingehüllt.
Entweder wir ziehen da sobald wie möglich fort oder wir versuchen hier langsam vom Hinterhof an die Sea-Front vorzurücken. Wir entscheiden uns für die zweite Option und siehe da, am dritten Tag schaffen wir es dank Beziehungen in die 2. und 3. Reihe. Wieder mit dem Meer vor der Türe steigt die Stimmung schlagartig an. Wir bemerken, dass hier alle nur ein Ziel haben: die erste Reihe in der Sea-Front. Wer dies einmal geschafft hat, geht nicht mehr so schnell von hier fort, denn der "Siam Hut" ist der billigste und bekannteste Treffpunkt für Langzeitreisende auf Ko Chang. Langsam leben wir uns ein und heute nachmittag werden wir sogar eingeladen, morgen in die erste Reihe vorzurücken. Die einen da vorne verbringen seit 17 Jahren hier den Winter, die anderen haben 2 Wochen in der Bungalow-Schlange gestanden, tja und wir schaffen es mit dem Grossfamilienbonus nun nach 3 Tagen im Müll und 2 Nächten in Warteposition unter die Privilegierten.
Dieses Spiel können sich die Reisenden leisten, die Zeit haben, denn Reservationen und sonstige Sonderwünsche gibt es hier nicht. Wir merken aber auch, wie ein solcher Ort verlockend werden kann zum Hängenbleiben. Nach einem anfänglichen Stimmungstief in diesem für uns wieder neuen Milieu, haben wir uns gegen die negativen Tourismusemissionen gewehrt. Mit dem Einstieg durch den Hinterhof sind wir hier trotz allem authentisch gelandet. Wie lange dauert es wohl bis wir uns an der Sea-Front an eine gewisse Authentizität zurücksehnen werden?

Donnerstag, 6. Januar 2011

Happy New

Frühenglisch ist selten ein grosses Vergnügen für die unter dem Leistungsdruck der Erwachsenenwelt stehenden Kinder. Trotz didaktischem Geschick im Umgang mit der Kindersprache bleibt die frühe Förderung oft in einem Umfeld hangen, wo der Sinn des Sprachenlehrens für die meisten Kinder nur schwer nachvollziehbar ist. Aus diesem Grund ist das Reisen das geeignete Instrument, den Kindern die Vielsprachigkeit der Kulturen und die Tücken der Kommunikation näherzubringen.
Lia geht als grosse Schwester allen voran und hat inzwischen ein Small- Talk-Niveau erreicht, das sie sich mit den Thais bestens verständigen kann. Dass die meisten Thais nicht über dieses Niveau hinauskommen, stimmt mich immer wieder nachdenklich, oft nervt es mich sogar. Umso mehr, wenn ich beobachte, wie wenig es bei den Kindern braucht, bis sie die Sprache im Alltag ganz natürlich und hemmungslos anwenden.
Simea hat sich lange zurückgehalten mit dem Englisch. Als sie merkte, wie Lia sich mit den Philippinos unterhalten hat, wurde sie aber auch neugierig. Da wir nun mit Lorea, die zudem noch Logopädin ist, unterwegs sind, hat auch Simea gemerkt, dass ohne Englisch nur ein beschränkter, nonverbaler Austausch möglich ist. Schnell kippte die pure Neugier in einen gewissen Ehrgeiz, Dinge in Worte zu verwandeln, Sätze zu verstehen und zu bilden, die Welt sprachlich abzubilden. Simea's Sprachfehler im Deutschen sind im Englischen viel weniger präsent und so tönt das Ganze schon recht vielversprechend. Verwirrend wirkt nur, dass Mei und ich mit Lorea die ganze Zeit Spanisch reden. Irgendwie ist dies eine Sprache zu viel für das momentane Auffassungsvermögen.
Der grosse Star in unserer frühenglischen Mädchenklasse ist aber einmal mehr Enya. Sie steckt in jener hochspannenden Sprachentwicklung, wo die Zuordnung von Objekten und Lauten die wichtigste Tagesbeschäftigung bedeutet. Noch zu klein, um Sprachen zu unterscheiden, plappert sie alles unaufhörlich nach. Inzwischen sind Silben auf Englisch, Deutsch und manchmal sogar Spanisch ein bunte Lautmischung, die sowas wie ein naives Esperanto erahnen lassen: eine frühkindliche Ursprache mit eigener Melodie und charmanter Verspieltheit. Da sich das Englisch oft als einfachere Variante erweist, bleibt das Deutsche auf der Strecke. Schon lange winkt Simea "Bye Bye", das erste Wort beim Aufstehen ist "Morning" und seit einer Woche ist der neue Hit "Happy New". Das Year lässt sie fallen, wie so oft auch andere Silben oder Worte, da sie genau merkt, wieviel es braucht, bis jemand sie versteht. Dies hat zu einem phänomenalen Sprachminimalismus geführt, der quasi die Redukution auf das Wesentliche der Esperanto-Melodie bedeutet. Als wir heute morgen unter den Palmen spazierten, krachte hinter uns plötzlich eine riesige Kokosnuss auf den Boden. Enya, kaum erschrocken, kehrt sich um und meint in einer verschmitzten Selbsverständlichkeit: Nuts bumm!

Montag, 3. Januar 2011

Im Ring

Die Schweiz war nie eine Monarchie, hat aber trotzdem ihren König, der alle drei Jahre wieder neu bestimmt wird. Thailand ist trotz den demokratischen Reformen immer noch eine Monarchie geblieben. Mit viel Respekt und einer vielleicht buddhistischen Selbstverständlichkeit wird der König verehrt und geachtet. Der schweizerische Königshof liegt für die nächsten 3 Jahre im Diemtigtal, ohne Prunk, Zeremonien und politischem Gewicht, dafür mit umso mehr symbolischem Charakter beladen. Deshalb gebührt auch dem Schweizer König Respekt und Ehre, die er sich im Ring erkämpft hat.
Das Raunen der Menge explodierte in ein tobendes Stadion mit 50'000 begeisterten Schwingfestbesuchern, als der dreifache Schwingerkönig aus dem Osten entthront war. Die Berner übernahmen die Macht mit einem souveränen neuen König und dem stärksten Verband als Entourage. Es war ein grosser Moment in der Schweizer Monarchiegeschichte, die königliche Gefühle echter Monarchien vielleicht erahnen liess.
5 Monate später stehe ich wieder vor einem Ring. Dieses Mal ohne Sägemehl, dafür mit Polsterkissen und Gummileinen: Wir sind im Ratchadamneorn-Thaibox-Stadion in Bangkok, wohl eines der grössten und stimmungsvollsten des Landes. Mit meinen Kenntnissen vom Brienzer über den Schlungg zum Wyberhaken komme ich nicht weit. Die einzige Gemeinsamkeit scheint der Zweikampf zu sein. Ansonsten ist es für den Debutanten schwierig in den gelenkigen, teils hochstehenden Kämpfen Parallelen zu erkennen.
Beni und ich versuchen durch unsere kompetenten, leidenschaftlichen Publikumsnachbarn in die Wettstrategien reinzukommen. Da Ausländer nicht mitwetten dürfen, stossen wir bei den Erklärungen schnell auf Geheimnistuerei und durchschauen die schreienden, wild durch die Luft fuchtelnden Thai's nicht. Die Leidenschaft ist gross, die Tradition lang und "The art of fighting" unergründlich asiatisch. Das Raunen und die Begeisterung des Publikums verbindet die Kampfwelten aller Kulturen. So bleibt eine Faszination des Duells zurück, die ausreicht, um unseren ersten Thaibox-Fight aufzusaugen und dem Kampfsportkult die internationale Ehre zu erweisen.

Nach mehrmaligem Nachfragen wird mir auch klar, wieso der einstige Thai-boxer Andy Hug in der Schweiz als König betitelt wurde und ihn hier als "normaler" Champion kaum jemand mehr kennt. Ob Monarchie oder nicht, Könige haben ihre symbolische Ausstrahlung erhalten können, obwohl viele von ihnen den politischen Einfluss an die Demokratie abgetreten haben. Nicht nur deshalb bleiben die Thai-Boxer einfach nur "Champions" und der Schweizer König wir wohl noch lange alle drei Jahre im Ring auserkoren werden.

Samstag, 1. Januar 2011

Ruhelos

Seit Jahren gilt die Kaohsan Road als Inbegriff der südostasiatischen Reiseszene. Bereits vor 20 Jahren traf man sich hier für Reisetips, Visas und billige Unterkünfte. Für eine Woche sind wir mitten in diesem lärmigen, bunten und pulsierenden Gassentreiben, das inzwischen trieft vor Kommerz, Neujahrstourismus und Partystimmung. Unser Rhythmus verschiebt sich in die Nacht hinein. Die Stimmung lädt nicht zum Schlafen ein. Wir verbringen Stunden in der grossräumigen und vom Stadtlärm durchfluteten Hotellobby mit unseren Freunden Lorea, Beni und Anja. Die Stadt stimuliert zu einer Ruhelosigkeit. Zum Atemholen, Nachdenken oder Schreiben scheint die Energie wie weggedröhnt durch den ständigen Rhythmus der Strasse. Die andauernde Reizüberflutung stimuliert, es bleibt aber keine kreative Musse zur Verarbeitung. Uns so driften wir in eine grossstädtische Oberflächlichkeit die uns schützt vor Atemnot und Ertrinken. Überhaupt scheint hier unter den tausenden von Touristen, die hier die Gassen verstopfen eine Partylaune zu herrschen, die nicht nur dekadent, sondern auch ziemlich ideenlos und langweilig daherkommt.
Im 24-Stundenbetrieb gehen Jahresrückblick und -ausblick, wie es ringsum den Globus gepflegt wird, im Rummel unter. Die CNN-Kommentare zu 2010 tropfen an mir ab, als ob meine Gedanken von den vollen Gassen und den endlosen Menschenmassen Bangkok's imprägniert wären. Nichts ist mehr zu spüren von den politischen Unruhen der sehr jungen Demokratie Thailand's. Die allgegenwärtige Präsenz des Königsportraits überdeckt jegliches öffentliches Politisieren. Die sich vor mir wälzenden Menschenmassen scheren sich einen Deut um den vergangenen heissen Frühling Bangkok's:
Es ist 4.00 Uhr morgens. Der Jahreswechsel liegt bereits hinter uns, während in Europa erst die Champagner gekühlt werden. Ich schaue mit einem Glas Gin-Tonic von der Dachterrasse hinunter in die immer noch überfüllten Gassen. Ich höre und sehe in dieser Nacht nur einen globalisierten Einheitsbrei mit eher britischer als amerikanischer Dominanz. Wie immer stimmen mich die Massen nachdenklich und ich beobachte nur noch zwei massige Thai-Frauen hinter ihren rollenden Küchen, die bis jetzt unermüdlich ihr Pad-Thai (Nudelgericht) gerührt haben. Langsam ist es Zeit für sie und für uns die Tische zu räumen. Die Ruhe wird nur kurz dauern, wie es die Grossstadt vorgibt. Nichts wartet hier, alles bewegt sich nach vorne, ins neue Jahr, mit einem Funken Hoffnung trotz der trägen Massen einer chaotisch vibrierenden Kaohsan Road im Westwind.