Montag, 29. November 2010

SOP

Die Perle Asiens gilt für Entwicklungs- und Schwellenländer als eine relativ alte Demokratie.  Die politischen Rahmenbedingungen lehnen sich stark an das amerikanische Zwei-Kammern-System, das sich im 20. Jahrhundert etabliert hat. Verfassung und Gewaltenteilung haben es aber nie geschafft, Vertrauen in das philippinische Polit-System zu bringen. Das Land leidet an einem durch alle politischen Institutionen wuchernden Geschwür: Standard Operating Procedure, kurz SOP, übersetzt "üblicher Gang der Dinge", im Klartext Korruption!
Ich bin mit Tom unterwegs auf der frisch fertiggestellten Strasse zwischen Lagawe und Bontoc. Der Weg führt durch dicht bewachsene Steilhänge. Dort wo die Hänge etwas abflachen leuchten Gemüse- und Reisfelder. Die Passstrasse ist oft nur einspurig befahrbar, da während der Regenzeit ständig Erdrutsche die Strassen verschütten oder teilweise wegreissen. Obwohl diese Strasse erst gerade fertig erstellt wurde, hinterlässt sie bereits wieder den Eindruck einer ewigen Baustelle.
Wir halten bei einem weiteren weggerutschten Teilstück an, um der scheinbar nicht eindeutigen Ursache auf den Grund zu gehen. Doch für Tom gibt es keine Zweifel: Ein weiteres Musterbeispiel, wie öffentliche Gelder verschwinden und die Infrastruktur deshalb schwächen. Die Stützmauer wurde statt mit Zement mit Lehm vermörtelt, damit die budgetierten Zementsäcke privat verkauft werden konnten. Das Fundament unter dem Strassenbelag fehlt, weil ein Teil des Budgets in der Gemeindeadministration hängenblieb und überall wurde gespart, so dass genügend Geld in die Taschen von Bauunternehmen, Politiker und Zwischenmänner floss. Aus diesem Grund rutschten ca. 100 Meter einer Fahrbahn, 3 Monate nach der Fertigstellung, in die anliegenden Reisfelder ab. Beim zuständigen Amt heisst es "Under Investigation, maybe burst of watertube."
Solche Geschichten sind keine Ausnahme, denn zwischen 30 und 50% des Staatshaushaltes verschwindet zweckentfremdet in einem sozial stabil kontrollierten Netzwerk. Die Schalthebel der Macht auf allen politischen Ebenen sind so sicher und ständig geschmiert. Der Kampf gegen die Korruption kommt dem Anrennen gegen Windmühlen gleich.
"Good Governance" wird zur gut gemeinten Illusion, die jeden Aussenstehenden entrüstet, der den Glauben an Wohlfahrts- und Sozialstaat noch nicht verloren hat. Nachdenklich fahren wir weiter bis zum nächsten Erdrutsch und jedesmal bleibt bei mir die Frage zurück: Naturgewalt oder politisches Fiasko?

Samstag, 27. November 2010

Manila-Papier

Die Pinwand ist etwas kleiner als üblich, der Seminarraum kühl durchlüftet mit frischem Bergwind und das aufwärmende Morgenkaffee schmeckt wie üblich nach Cream-Pulver. Ich stehe mit Tom und Rolf im Bambus-Coffee-Shop und mischle im Hintergrund beim "Training Day" mit, der zum Ziel hat die lokalen Jäger zu Wanderführern auszubilden. Wir befinden uns im Norden der Insel Luzon, in einem Hochtal, das nie wirklich von den Spaniern besetzt wurde: Sabangan, ein Widerstandsnest, das immer wieder von sich reden machte, sei es beim Protest gegen ein riesiges Staudammprojekt des Marcos-Regimes oder bei der Revolte gegen eine libanesische Holz-Firma.
Rolf und Pia, Mitarbeiter der BMI (Betlehem Mission Immensee) haben hart gearbeitet, bis dieser Ausbildungstag zu Stande kam. Die Voraussetzungen stimmen heute, die meisten Interessenten für den Wanderführer-Job sind anwesend. Mit leichter Nervosität beginnt das Programm mit ca. 1 Stunde Verspätung und schweizerischen Herbsttemperaturen. Die Sicht auf den Mt. Kalawitan, der drittgrösste Berg der Philipinen, ist nach wie vor durch einen Nebelvorhang getrübt. Doch eben dieser Gipfel steht im Zentrum unseres Interessens.
Mit der Wanderung zum Gipfel ist eine Idee entstanden, die einen nachhaltigen Ökotourismus im wilden Hochtal, wo sich die Reisterrassen wie leuchtende Teppiche den Hängen entlang ausbreiten, entwickeln soll. Dort wo nichts mehr kultiviert wird, sind die steilen Hänge vom ursprünglichen "Mossy Forest" überwachsen. Ein Gebiet, dass durch unkontrollierte Jagd fast keine Säugetiere mehr beheimatet. Mit der Wanderführerausbildung sollten die zukünftigen "Guides" ihre wilde Jagdvergangenheit mit neuen Ideen verarbeiten, sodass sich das Ökosystem erholen kann.
Alle Teilnehmer sind so motiviert, dass der "schweizerische" partizipative Workshopstil sehr gut funktioniert. Das "Manila-Papier", bei uns bekannt als Flip-Charts, wird rege benutzt und konstruktiv gefüllt. Auch wenn der heutige erste Ausbildungstag ein Erfolg ist, bleibt der Weg zu einem nachhaltigen Tourismus, der sowohl eine gewisse Wertschöpfung generiert wie auch eine ökologische Aufwertung erzielt, steinig und anstrengend.
Leicht ermattet und doch noch bereit für einen Schlummertrunk werden wir am Abend zur Geburtstagsfeier des einjährigen Sohnes eines Kursteilnehmers eingeladen. Pechschwarzer Schokoladekuchen, kitschig süsser Hörnlisalat und Zuckerspaghetti umrahmen die Ginflaschen, die in der reinen Männergesellschaft herumgereicht werden. Ebenso gemütlich wie aufschlussreich sind dabei die Small-Talks der immer gesprächiger werdenden Wanderführer. Als Qualitätmerkmal des gelungenen Abends erhält Rolf am nächsten Morgen ein SMS vom Gemeinderat: "I ok still drunk"!

Mittwoch, 24. November 2010

Frost im Nachtbus

Ein weiterer Tag in Manila mit angepasstem Kinderprogramm und erschöpfendem, chronischen Sauerstoffmangel im Dauer-Chaos ist vorbei. Wir stärken uns mit einem Bier in einer improvisierten Bar, wie es wohl zehntausende, vielleicht auch hundertausende davon in Manila gibt. Der Nachtbus wartet, die 6 Kinder sind bereits darin eingeschlafen. Aber bevor wir losfahren, sehen wir uns bereits mit der ersten Panne konfrontiert: Die Klimaanlage steigt aus und der Bus wird innert kürzester Zeit zur Sauna. Deshalb gibt es nur eine Lösung: Buswechsel. Und so zügeln wir 6 Kinder im Tiefschlaf, ein schöne Ladung Gepäck und unsere schlappen Beine in den nebenan wartenden Bus. Hier erwarten uns winterliche Temperaturen und zwingen uns die von der eben erlebten Sauna schweissdurchtränkten Kleider sofort zu wechseln.
Da die Busse auf den Philippinen während der Nacht zu Kühlschränken werden, sind jeweils alle Passagiere dick eingepackt mit Mützen, Decken und Klamotten, die sonst in diesem Klima nie benützt werden. Als kältegewohnte Europäer erscheint dieses Spiel zwischen unerträglicher Hitze und quälender, frostiger Klimaanlage völlig absurd. Tom und Melanie kennen die Spielregeln und schliessen deshalb alle luftigen Löcher mit Klebstreifen zu. Die Unmöglichkeit einer feineren Temperaturdosierung erklärt sich teilweise mit den übermüdeten Fahrern, die bei zu grosser Hitze schneller einschlafen würden. Die Kinder nehmen alles sehr gelassen und die Reiseaufregung überdeckt die unwirtlichen Rahmenbedingungen.
Die Fahrt geht Richtung Norden und wir kommen nicht vom Fleck, da auch der Ersatzbus nicht aller Zweifel erhaben ist. Morgens um halb drei laufen immer noch Kriegsfilme in unerträglicher Lautstärke und ich suche vergeblich den Schlaf. Ich sehne mich nach dem kindlichen Schlaf der Gerechten. Der Bus wankt wie ein Schiff und der Chauffeur gibt nur gehemmt Gas. Kein Zweifel, da stimmt irgendetwas nicht. Trotzdem überqueren wir einen kurvigen Pass, warten da noch einmal eine Stunde wegen einer Baustelle und kommen schliesslich im Morgengrauen an eine verlassene Kaffeebar, wo wir uns aufwärmen. Kaum sind die Lebensgeister aller Passagiere langsam erwacht, fährt ein leerer Bus vor: Umsteigen bitte, und wir wechseln zum zweiten Mal mit Sack und Pack das Gefährt. Mit Murren und Achselzucken, ermunterndem aber müdem Lächeln versuchen wir uns gegenseitig für das letzte Teilstück zu motivieren.
Bei dichtem Tropennebel, frostigen Bustemperaturen und gutgelaunten, aber noch etwas müden Kindern treffen wir schliesslich mit 3 Stunden Verspätung in Lagawe ein.

Montag, 22. November 2010

Unterwasser

Zu erahnen, was sich unter der Meeresoberfläche alles abspielt, ist für den  Tauch-Laien ein Unterfangen der Unmöglichkeit. Beim Ausblick über das weite Meer liegt einem eine Parallel-Welt so fern, weil die Meeresatmosphäre über Wasser die Sinne normalerweise auslastet.
Dank unserer Unerfahrenheit in Sachen Tauchen steigen wir entsprechend naiv und ohne grosse Erwartungen ins Schnorchelerlebnis. Schon nach kurzer Zeit werden wir überwältigt von einer spektakulären Überraschung. Im glasklaren Wasser sehen wir zwar wenig Fische, die Sicht ist aber prächtig und wir folgen dem Seegras bis wir auf einen riesigen Panzer stossen: Meeresschildkröten! Und während wir völlig begeistert den ruhigen, friedlichen Kolossen zuschauen, erfährt Tom, der in unserem Haus zurückgeblieben ist, von der Putzfrau, dass vor unserer Türe eine kleine Kolonie von diesen faszinierenden Tieren lebt. So tauchen wir tagtäglich mit den neuen Freunden auf der Pandan Island, in der Nähe der Insel Mindoro, 300 km südlich von Manila.
Die Welt unter Wasser erschliesst uns ein völlig neues Universum, eine andere Sicht der Dinge, wie es jedem Taucher eben ergehen kann: Eine Welt in scheinbarem Zeitlupentempo im sich dauernd bewegenden Licht der tropischen Sonnenstrahlen, eine Welt der Schwerelosigkeit, wo Raum und Zeit sich im leichten Wellengang vergessen, eine Welt in der sich eine Vielfalt von Lebewesen in unscheinbarer Schönheit versteckt und plötzlich offenbart.
Das Staunen verlangt auch Respekt, vor allem für den sorglosen Tauchanfänger. Unverhofft erblicke ich einen bunt schillernden Fisch, der gerade auf mich zusteuert. Meine Sorglosigkeit verschwindet schlagartig, als ich merke, dass dieser mich entschlossen angreift. Verwundert möchte ich den Rückwärtsgang einschalten. Ohne mein Wille werden meine Bewegungen etwas rückartiger und ich versuche den Angreifer loszuwerden. Ich schaffe es einfach nicht ihn abzuschütteln, während dieser ständig darauf zielt, mich zu vertreiben, bis er schliesslich meinen Zehen erwischt. Ich bin verblüfft ob diesem Kampfgeist und versuche möglichst schnell an Land zu kommen. In dieser scheinbar so friedlichen Unterwasserwelt gibt es also doch ziemlich unangenehme Kerle! Was war das wohl? Bei der Tauchschule erfahre ich es genau: Ein Triggerfish, der sein Nest beschützt kann ganz schön agressiv sein Revier verteidigen und mit seinem kräftigen Kiefer sogar Korallen knacken. Deshalb bin ich im Moment froh, dass mein Zehe zwar verbissen, aber immer noch ganz und ungebrochen weiterlebt.

Samstag, 20. November 2010

ParaDies und Das

Lia hat sich seit langem eine Kinderbibel zu ihrem 6. Geburtstag gewünscht. Bis heute  ist mir dabei immer noch nicht ganz klar, von wo dieser Wunsch herrührt, da wir uns bisher nicht bewusst um eine christliche Erziehung bemühten. Lia hat aber ringsum das Thema Gott schnell erkannt, dass Religion und die damit verbundenen philosphischen Fragen nicht nur für die neugierige Kinderseele Diskussionsstoff anbieten. Seit wir auf den streng katholischen Philippinen angekommen sind, erzähle ab und zu möglichst kindergerecht, undogmatisch und bilderbeladen die Geschichten aus dem alten Testament. Wie es sich gehört steht am Anfang, die Frage nach dem Ursprung der Welt, das Phänomen des Staunens und schliesslich der Mensch im Paradies.Unter Palmen mit Blick aufs glasklare Meer hinaus auf einer winzigen Insel am Rande des südchinesischen Meeres zu sitzen macht den biblischen Paradiesgarten real. Die Kinder sind wunderbar aufmerksam, ihre Augen leuchten unschuldig. Aber die Schlange macht auch auf dieser Insel nicht halt, bzw. konfrontiert auch unsere Kinder mit den menschlichen Schwächen. Schnell ist es vorbei mit dem Paradies, es bleiben auch hier nur immer Momente des Glücks und bereits schreit wieder ein Kind, sticht eine Mücke zu oder der Durst meldet sich. Die biblische Radikalität erscheint mir irgendwie kindergerecht, denn sie nehmen Gut und Böse ebenso unverdorben auf wie auch Schicksal und Gottes Allmacht gegenüber der Menschheit. Obwohl wir auf unserer Reise Islam und Buddhismus hautnah erleben, bleibt das Christentum unser wichtigster Geschichtenspender. Ein kulturelles Selbstverständnis, das wir irgendwo und zu jeder Zeit auf dem Globus stufengerecht einsetzen können.
Der Rausschmiss Adam und Eva's aus dem Paradies ist für die Kinder eine gerechte Strafe und erklärt für uns verdorbene Erwachsenen-Geister einiges ringsum die ewige Suche nach dem Paradies, bzw. nach dem wunschlos glücklichen Zustand. Auch auf der Pandan Island scheint die Idylle auf den ersten Blick zu trügen: Die Besitzerin erzählt uns über Diebstahl, Intrigen, Alkohol, Neid und Hass und Rache, die ganze Palette von Eigenschaften und Geschichten, welche die menschliche Schattenseite aufzeigt. Das Paradies scheint nicht für den Menschen oder die Menschen nicht für das Paradies geschaffen zu sein. In diesem Bewusstsein, die kindliche Sorglosigkeit und Naivität zu schätzen, wird ebenso spannend wie schwierig, da die Vertreibung aus dem Paradies unvermeidlicher Alltag und Spiegel der menschlichen Einfalt geworden ist.

Freitag, 19. November 2010

Halo Halo

Die Philippinen sind ein asiatischer Sonderfall, der zum Verständnis ein wenig Zeit beansprucht. Zum grossen Vorteil für den Neuling sprechen sogar ungebildete Leute ein relativ gutes Englisch, sodass es einfach ist, über die Eigenheiten des Landes viele Details zu erfahren. Die englische Sprache wird zu einem Kolonialrelikt, das für eine einfache und rasche Verständigung Gold wert ist.
Bereits nach einigen Tagen und dank den heimisch gewordenen Melanie und Tom tauchen wir voll und ganz in die philippinischen Widersprüche und Kuriositäten ein. Die fremdbestimmte Vergangenheit der letzten 400 Jahre hat überall seine Spuren hinterlassen und prägt verständlicherweise das Inselvolk noch heute. Die 7000 Inseln sind trotz einem vereinheitlichten Staat und dem langen Schatten Spaniens und Amerika schwer kontrollierbar geblieben.
Als Sonntagsauflug spazieren wir in Manila durch den Zoo, wo mir Tom das Nationalgetränk "Halo Halo" als kulinarische Einstieg in die philippinische Kultur des bunten Durcheinanders vorschlägt. Die Zutaten sind auf den ersten Blick so verschieden, dass ich mir unmöglich vorstellen kann, dass dieses Gemisch tatsächlich schmeckt: Im Zucker eingelegte Bohnen, verschiedene Arten von Gelatine, die einen unappetitlichen Farbmix entstehen lassen, Kondensmilch, Haferflocken, eine Gemüseglace, und viel zerstampftes Eis, fritierte Bananen und Sojamehl-Kugeln! Es braucht eine gewisse Offenheit, sich auf diese Mischung einzulassen. Mit geschlossenen Augen geht es etwas einfacher, aber auch die Konsistenz ist sehr gewöhnungsbedürftig, sodass ich einige Zeit brauche und die moralische Unterstützung von Tom, um langsam aber sicher die ultimative philippinische Sonntagserfrischung geniessen zu können.
Während dieser doch eher exotischen Trinkerfahrung, lässt mich der Gedanke nicht los, dass die philippinische Gesellschaft sich in eben diesem Getränk widerspiegelt. "Halo Halo" ist Metapher und Erklärung zugleich, um den Einstieg in die Philippinische Welt zu schaffen.
Am Ausgang des Zoos stossen wir auf eine weitere Eigenheit des philippinischen Erfindungsgeistes, der zum Selbstverständnis einer dauernd sich selber erfindenden Nation geht. Am Strassenrand werden leuchtend eingefärbte "Bibeli" in kleinen Käfigen verkauft. Sowohl ein typisches Zeichen des Umgangs mit Tieren, wie auch Symbol des ständigen Überlebenskampfes des harten philippinischen Alltags.

Montag, 15. November 2010

Mega-Stau

Wir sitzen mit Melanie, Tom und 6 Kindern im Jeepney, das typische philippinische Sammeltaxi, und versuchen von Malate bis nach Cubao zu kommen. Nach einer halben Stunde  kapitulieren wir im Jeepney und steigen auf die Metro um. Aber überall selbst ausserhalb der Rush-Hour dasselbe Bild: Stau, Menschen, Gedränge, Bewegung, irgendwie ein rasender Stillstand. Alle wollen vorwärts kommen in diesem zähen Fluss, mit Metro  scheint dies immerhin recht gut zu funktionieren, wenn auch das Umsteigen und der Ticketverkauf eher umständlich organisiert sind.
Wir sind froh mit den "Philimelitos" (Familie Nansoz-Baumann) so quasi einheimische Führer durch diesen Grossstadt-Moloch zur Seite zu haben. Ansonsten würden wir gleich zu Beginn unseres Philippinen-Besuchs ein Manila-Trauma riskieren. Der beschwerliche Weg bis zu unserem Ziel, Cubao, dem pulsierenden Knotenpunkt der 20 Millionen-Megalopolis, stellt unsere Geduld jetzt schon auf die Probe. Bis wir ankommen sind alle schon wieder hungrig, etwas beduselt von den Menschenmassen, dem Gestank und den Bildern zwischen dekadenter Konsumwelt und absoluter Armut.
Manila ist ein Ballungszentrum bedrohlicher Superlativen: Ein sich selbst organisierendes Chaos, das trotz allen Problemen mit Infrastruktur, Energie-und Wasserversorgung, Müllbergen- und Luft- und Wasserverschmutzung, sich pausenlos aufbäumt und gegen das eigene Verderben anrennt.
Unser Spaziergang durch den heruntergekühlten Einkaufstempel ist ein Einblick in die Abgründe der philippinischen Konsumwelt. Ein Tummelplatz der Mittelschicht, die sich von oft amerikanischen oder generell westlichen Träumen ernährt. Eine Welt des Scheins und Trugs, der Kurzlebigkeit zwischen billiger Massenprodukte und exklusiven Prestigeobjekten, eine Welt der dominanten Vorherrschaft Amerikas, die langsam vom aufstrebenden China überrollt wird.
Der Rückweg in unser Hafenquartier wird zum "Manila-Feierabend-Erlebnis". Die sonst schon dicht gefüllten Strassen, Über- und Unterführungen beginnen überzuquellen. Wir stecken in einem unübersichtlichen Ameisenhaufen, der an Tempo und Hektik jede Minute zulegt, bis die Dämmerung die Bewegungen je nach Stadtviertel wieder etwas beruhigt. Auf gewisse Verkehrsadern steht alles still, es qualmt, hupt und lärmt: Mit 2 Kinderwagen und 4 hungrigen und müden Kindern kämpfen wir uns über die bröckelnden Gehsteige an gegrillten Maiskolben vorbei, weil wir wissen, dass eine Taxifahrt jetzt vermutlich doppelt so lange dauern wird. Die Kinder nehmens locker, wir versuchen es ebenso zu bleiben und schweissverklebt und zu eingeräuchert vom Smog am Rande der Mobilitäts-Apokalypse.

Freitag, 12. November 2010

Bangkok Post

Für den passionierten Papier-Zeitungsleser bringt die Grossstadt wieder einmal das Knistern eines Grossformats zwischen die Finger. "Bangkok Post" ist der Name, der im Nzz-Schriftzug die Frontseite meines Zeitungsfundes überdacht. Die Monsun-Flut und die politischen Unruhen im angrenzenden Burma dominieren die Schlagzeilen. Auf der Suche nach einigen internationalen Neuigkeiten bleibe ich vorwiegend im asiatischen Raum hängen. Europäische Themen scheinen sekundär. Der asiatische Blick verharrt im engeren geografisch-politischen Umkreis. Es sei denn, es handelt sich um europäische Staatsbesuche wie Barak Obama in Indonesien oder David Cameron in China oder um die Themen Börse und Wirtschaft, wo die Globalisierung vollendet scheint. Immer noch diese Währungsdebatte mit den USA, Auf- oder doch eher Abwertungen, Schuldenberge und -täler, Hypotheken und Zinsen, immer das gleiche, monotone Lamentieren in der Finanzlandschaft. Irgendwie fehlt der Biss, die Ironie und die Phantasie, um Lust auf Zeitungslesen zu kriegen. Falls hier überhaupt gelesen wird, scheint das Internet die kreativen Zeitungen zu vertilgen. Auch unter Reisenden läuft selten einer mit Zeitung herum, viel öfter doch mit Iphone oder Mini-Notebook. Trotzdem die Bangkok Post verbirgt noch einiges:
Das Thema Fischerei scheint nationale und internationale Schlagzeilen zu machen. Gestern haben die Fischer im Zentrum Bangkok demonstriert. Gleichzeitig nimmt die Leerfischung des Meeres vielerort dramatische Ausmasse an. Dazu finde ich ein Bericht über Malaysia. Der Kulturteil ist mit hässlicher Werbung zugkleistert und trotzdem ist dies der mit Abstand internationalste und abwechslungsreichste Teil, denn in den abschliessenden Business-Seiten bleibt nur noch die Wirtschaftsmacht China das Thema.
Aktualität aus dem Blätterwald würde aber eher farblos daherkommen, hätten wir heute nicht mindestens die Stimmung der Thai-Metropole mit dem Tuk-Tuk erkundet: Da liegen die Sandsäcke zu Tausenden am Flussufer, das von der Flut stark beieinträchtigt wurde, da sind die Fischmärkte in der Krise, da dominieren Riesenplakate mit Illusionen aus der Finanzwelt, da sind die Zeremonien zum 12. November, ein grosser Feiertag für den Buddhismus, aber nirgends sehe ich Zeitungsverkäufer. Diese Zeit ist wohl vorbei.

Donnerstag, 11. November 2010

Tuk-Tuts

Die Stadt liegt vor uns, wir sind voller Entdeckungsdrang, die Luft liegt schwer und die Wolken hängen tief. Bereits nach 200 Metern endet unser Spaziergang, denn wir vernehmen von einem freundlichen Passanten, dass heute ein hoher buddhistischer Feiertag ist, sodass die meisten grossen Klöster am Morgen für das Gebet reserviert sind und der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Es sei deshalb besser mit dem Tuk Tuk die Stadt zu entdecken. Wir profitieren von einer Tuk-Tuk-Aktion für Touristen,  lassen uns treiben und stecken bald inmitten des Verkehrschaos zwischen Märkten, Flüssen, Bussen und Wolkenkratzern. Im Tuk-Tuk wehen buddhistische Wimpel, die Mädchen werden überflutet von den Stadtbildern, wo Armut, Reichtum und eine unaufhörliche Geschäftigkeit an uns vorbeitreiben.
Simea ist total fasziniert vom Tuk-Tuk fahren. Deshalb nehme ich die Gelegenheit wahr, ein paar logopädische Übungen zu lancieren, wie wir dies seit einigen Wochen zu tun pflegen. Ihre Sprachfehler sind so vielfältig, dass es eine Leichtigkeit ist, passende Übungswörter zu finden. Allerdings ist es von grossem Vorteil, wenn sie diese Wörter mit positiven Assoziationen verbindet. Das Tuts Tuts ist schon nach einigen Wiederholungen das Tuk Tuts und als wir beim "Lucky Buddha" aussteigen, schafft sie es zum ersten Mal: Tuukk-Tuukk!
Insgesamt 4 Stunden sind wir mit dem Kultfahrzeug des öffentlichen Verkehrs Bangkok's unterwegs, von einem Tempel zum nächsten, dann halten wir den Lärm, die Abgase und die Hitze nicht mehr aus. Wir steigen erschöpft aus: die Kinder mit Hunger, Mei mit Schwindel und ich mit leichtem Sausen im Kopf und steuern auf den nächstbesten Streetfood-Stand zu, um wieder zu Kräften zu kommen.
Wie soll man tagtäglich in dieser Luft gesund bleiben? Würden wir uns daran gewöhnen können? Wie lange arbeiten die tausenden von Tuk-Tuk-Fahrer unter diesen Umständen?
Die Faszination des Tuk-Tuk's für den Asienreisenden verliert schnell an Romantik und Exotik. Mit gemischten Gefühlen steigen wir nach dem Essen auf ein Taxiboot des Pranaya Rivers, schauen in die braunen Fluten, die vorbeiziehenden Tempel und Nobelhotels und ich frage Simea noch einmal nach dem Namen des hiesigen Dreiradtöffs. Die Antwort kommt nicht mehr so prompt und eher müde: Tuuuuts-Tuts...

Mittwoch, 10. November 2010

Sonntagslos

Wieder sind wir ins Bangkok-Chaos zurückgekehrt, die Luft ist so stickig, dass das Einatmen auf den Tuk-Tuk-Taxis zur Qual wird. Nach dem gemächlichen Insel- und Strandrhythmus treffen wir hier auf ein wohltuendes Weltstadttempo. Nach einer angenehmen 12-stündigen Fahrt im Nachtzug sehnen wir uns nach der Grossstadtstimmung mit all den Farben, Gerüchen und Tönen, die zum sowohl asiatischen wie auch kosmopolitischen Mix in der Thai-Metropole gehören.
Unterwegs Richtung Norden versuchte ich wieder einmal den momentanen Wochentag zu eruieren. Ist es Mittwoch oder Donnerstag? Eigentlich ja egal, abgesehen vom fixen Flugtermin, den wir nach Manila gebucht haben. Wochentage oder Daten sind inzwischen eher Zeitdekoration als Orientierungshilfen für uns Reisende. Werktage oder Feier-, geschweige denn Sonntage scheinen momentan nur selten eine Unterscheidung wert zu sein. Da nun auch die im Rhythums der Erwerbstätigkeit so wichtigen Sonntage fehlen, stellt sich die Frage nach den Ruhetagen. Die Geschäftigkeit des uns umgebenden Alltags richtet sich nur vereinzelt nach meist religiös bedingten Ruhepausen. Sowohl der Islam wie auch der Buddhismus integriert diese Ruhephasen in den Alltag in Form von Meditationen oder Gebeten. Ruhen bedeutet also "in sich gehen", vom Alltag Abstand nehmen. Vor dem christlichen Hintergrund des 7. Schöpfungstages als Ruhetag, scheint der Sonntag die passende Pause abzugeben. Trotz all den Riten, Feiertagen und Regelwerken in den asiatischen Weltreligionen ist für den Reisenden kein "Ruherhythmus" offensichtlich. Was aus der abendländischen Tradition zum Gregorianischen Kalender und zu den Wochentagen geführt hat, brachte dieses systematische Sonntags-Ausruhen in unseren gewohnten, westlichen Lebensrhythmus. Was nun, wenn wir als Reisende diesen Vorgaben nicht mehr folgen wollen oder müssen? Werden wir ruhelose Suchende, vom Unterwegs-Sein Gestresste oder übermüdete Konsumgeister? Wie sieht die Work-Life-Balance ohne Arbeit aus?
Sich ausserhalb gewohnter Konventionen bewegen heisst auch, neue Strategien zu einem inneren Ruhe-Gleichgewicht zu finden. Für meine Gleichgewichtsstrategie bleibt die Religion die beste Inspiration. Die alltäglichen Ruhepausen sowohl des Islam wie auch des Buddhismus binden dieses Gleichgewicht tagtäglich so in den Alltag ein, dass Gebet und Meditation einen offiziellen Ruhetag in den Hintergrund drängen.
Beim heutigen Besuch des riesigen goldenen Buddhas in Bangkok sitze ich einen Moment lang mit etwa 40 Geschäftsleuten, einigen Touristen und fliegenden Händlern vor einer Stupa, wo sich alle in Meditation versunken vom Alltag erholen: Ein Ruhepol im Grossstadtgetümmel, das auch dem Reisenden Inspiration und Energie spendet auf der Suche nach dem verlorenen Sonntag.

Montag, 8. November 2010

Trockengelegt

Mit ungewissem Ausgang haben wir unser ambitiöses Entwindlungs-Experiment mit Enya gestartet, um sie reisetauglich zu machen. Nach einem Monat am Strand, einigen Robi-Dog-Aktionen und gutem Zureden verrichtet nun Enya  mehr oder weniger selbsständig ihr Geschäft, bzw. kündigt dies lautstark an, um dann selbstbewusst Richtung Toilette zu tänzeln. Falls es keine solche in der Nähe geben sollte, wählt sie ganz bewusst ihr Örtchen aus, um diskret und Stolz das Nötige zu verrichten. Indem wir die ganze "Bisi-Gagi" Zeremonie ehrgeizig gefördert haben, ist es uns gelungen die Windeln im Gepäck abzubauen. Ausser in der Nacht und auf längeren Zug- oder Busfahrten können wir nun auf diesen Ballast verzichten.
Enya hat auch die hiesigen Gepflogenheiten der Toilettenhygiene schon bestens gelernt und vollführt jedes Mal mit der "Handspülung" und der separaten Papierentsorgung ein Schauspiel mit Würde und Witz. Theatralisch demonstriert sie ihre Selbständigkeit und wartet am Ende auf das "Gimmy five" ihrer Schwestern.
Bei all der Ratgeberliteratur, die zu diesem Thema auf dem Markt ist, fragt sich nun, was dazu denn unser Tipp sein könnte. Hier eine kleine Liste, die wir nach einer harten, 1-monatigen Therapie weitergeben können:
- mit Vorteil in einem warmen Klima durchzuführen, sodass das Kind wenn möglich immer "füdliblut" oder mit Röckli rumrennen kann.
- Keine Angst vor sogenannt peinlichen Situationen, denn bei diesem Thema gibt es eigentlich nichts Peinliches, sondern alles ist Natur pur.
- genaue Beobachtung des Verdauungsrhythmus erlaubt eine baldige sensible Kommunikation zwischen Eltern und Kind.
- Motivationtraining mit Geschwistern vereinfacht die Erziehung zur Selbständigkeit.
- Notfallsituationen verlangen eine gewisse Kreativität und Flexibilität, um eine unauffällige Entsorgung sicherzustellen.

Glücklicherweise wurden wir bisher von aussergewöhnlichen Verdauunstörungen verschont. Da könnte sich die Situation natürlich schlagartig verkomplizieren. Ansonsten wären wir interessiert an einem allfälligen Erfahrungsaustausch rings um den Globus zu diesem durchaus universalen Thema.

Sonntag, 7. November 2010

Pimalai

Die Anzahl 5 Stern-Hotels in Thailand nimmt so rasant zu, dass die abgeschlossenen Ferienanlagen zwar grosse Arbeitgeber sind, dieses Reisepublikum aber zusehends die gute Stimmung verdirbt. "Pimalai" nennt sich die wohl grösste und luxuriöseste Anlage auf Ko Lanta, die wir aus Neugier auskundschaften. Unser Spaziergang führt durch grosszügige Palmengärten mit Wasserfällen, Lotusblüten und üppigem tropischem Bewuchs. Alles scheint perfekt inszeniert mit einer Grosszügikeit, die Preise um 2000 Euro pro Nacht rechtfertigen. Unser Augenmerk richtet sich von der zugegeben wunderschönen Anlage am Hang mit fast ständigem Meerblick auf die Gäste: Tendenziell übergewichtige, mürrische Engländer und Deutsche, jeder Zweite mit einem Iphone oder einem Laptop beschäftigt, irgendwie authistisch wirkende Blicke und kaum ein Lächeln, das sonst auch hier unter Touristen in angepasster Thai-Manier ansteckend wirkt. Bald sind wir eher niedergeschlagen, als aufgemuntert, unseren Streifzug durch den Luxus weiterzuführen. Beruhigend, dass die 350 Angestellten mit dem Ethos des ewigen Lächelns die Mittagshitze trotzdem versüssen. Dank über 100 Regeln und entsprechenden Sanktionen bei Nichteinhaltung werden sie getrimmt, um dem Image Thailands und den Ansprüchen der Tourismus-Elite zu genügen.
Im Angebot stehen auch Sunset-Geburtstage und Traumhochzeiten. Alles pauschal verpackt ab Ferienkatalog im Hochglanzformat. Mit ein wenig Glück entdecken wir am Abend ein ebenso gebuchtes Hochzeitspaar auf einem Elefanten dem Strand entlang reiten. Der Weg zum Ja-Wort ist mit Orchideenblüten bestreut, der Altar steht leicht schief im weissen Sand und die Palmblätter wedeln im Wind. Die Neugier zieht Mei und die Mädchen an die Traufeier, die sie schliesslich im Hintergrund konzentriert mitverfolgen. Lia ist völlig fasziniert von dem weissen Prinzessinenkleid, sodass an ein Weitergehen nicht zu denken ist. 24 Stunden später treffen Mei und die Kinder unverhofft wieder auf das Brautpaar und die Hochzeitsgesellschaft. Lia erkennt die Braut und die Braut erkennt leider auch Mei und die Kinder. Mit wutentbranntem Gesicht zückt sie den Nachbarfinger ihres frischbestückten Ringfingers und kann nur noch von ihrem Bräutigam zurückgehalten werden. Anscheinend hat sie es nicht verkraftet, dass auf den meisten Hochzeitsfotos der romantischen Zeremonie, 3 kleine Mädchen mit ihrer Mutter gebannt im Sonnenuntergang stehen...
Mehr gibt es zu diesem Pimalai-Publikum einfach nicht zu sagen.

Freitag, 5. November 2010

Affen

Gibbons und Longtail-Makaken sind wohl die weitverbreitetsten Affen in Thailand und wir begegnen ihnen regelmässig, meistens überraschend und zur grossen Aufregung der Kinder. Sei es im Mangrovenwald zum Znüni, bei der "Monkey-Show" im Zirkusstil oder spontan während dem Wandern und Töfffahren: Immer sorgen die Affen für Stimmung. Auch Enya beobachtet sie schon sehr genau und mit grosser Leidenschaft, sodass der Eindruck aufkommt, dass sie diese meist gutgelaunten Gesellen als Spielkameraden verstehen würde. Auch ich habe den Eindruck, dass Enya diesen verspielten Kletterern sehr nahe steht in ihrer Entwicklung. Sei es Neugier oder Schalk, sie strahlen in ihren Posen und Blicken eine selbstvergessene Ruhe aus, die von Enya vollumfänglich geteilt wird. Die nahe Verwandtschafte mit unseren Vorfahren wird einem durch die Kinderaugen vorgeführt und hält uns einen Spiegel vor, der nicht nur an die frühkindliche Entwicklung erinnert.
Trotz der Ruhe und Verspieltheit bleiben wir wachsam gegenüber den manchmal aggressiven Clan-Chefs und den frechen pubertierenden Jungaffen. Bei einem Töffstop muss ich Simea in Sicherheit bringen, da der Boss der rund 30-köpfigen Familie knurrend und fauchend auf uns zurennt. Mit einem etwas hilflosen Imponiergehabe meinerseits gelingt es uns dann doch noch den Chef und sein Bande zu bremsen. Aber Simea versteht die Welt nicht mehr, denn bisher waren doch die "Äffli" immer herzig und lieb.
Herzig und lieb sind auch die Affen bei den weitverbreiteten Monkey-Shows oder die halb domestizierten, oft bedaurenswerten Tiere mit Halsband und Kette. Was für Touristen und vor allem für Kinder ein Vergnügen sein soll, scheint den Affen weniger Spass zu machen. Tierschutzgedanken trüben dem sensiblen Zuschauer die Freude über die erstaunlich dressierten Tiere. Auch hier lässt die nahe Verwandtschaft schnell Fragen aufkommen, die bei anderen Arten selten oder gar nie gestellt werden. Aus der emotionalen Nähe, die vor allem durch die Mimik und den Blickkontakt entsteht, sollte eigentlich Respekt wachsen. Verschiedene Reisegeschichten deuten auf einen kreativen Austausch zwischen Menschen und Affen hin. So haben im Gebiet zu malayischen Grenze ein paar schlaue Touristenfänger ein Geschäft gewittert, indem sie dressierte Affen Wertsachen, Portmonnaies und Pässe von ahnungslosen Touristen stehlen lassen, um diese dann durch gute Bezahlung wieder 3
Inzwischen meiden wir Affenfelsen, Affenbucht und Affeninsel, da die Menschen dort die Affen meistens verdorben haben. Wir zählen auf spontane Treffen, die es alleweil gibt und üben mit unseren Verwandten einen artgerechten Umgang! 

Donnerstag, 4. November 2010

Bambus

Einst das Hauptbaumaterial Thailands, ist der Bambus im Gerüstbau zwar noch überall präsent, aber als Rohstoff für den Häuserbau haben vor allem in urbaneren Gebieten Beton und Backsteine die traditionelle Bauweise abgelöst. Dies widerspiegelt sich auch in den Touristenunterkünften und kann als Symbol des Wandels oder der Modernisierung betrachtet werden. Die Bambushütten, die im letzten Jahrtausend auch noch für die meisten Touristen als Standardherberge genügten, sind inzwischen von einer Bauweise abgelöst worden, die mit dem Klima nur noch mit dauerndem "Air Conditioning" zurecht kommt.
Wir bewohnen seit einigen Tagen eine Bamushütte im "Old Style", in einer Bungalowanlage, wo noch Reise- und Lebensgeschichten in der alten Traveller-Tradition ausgetauscht werden. Und dies ausgerechnet in der Nähe von Ao Nang, das sich bereits seit Jahren dem Massentourismus verschrieben hat und der vielgerühmte Thai-Charme einer sehr unangenehmen Kommerzialisierung des Lebensalltags weichen musste. Nicht nur visuell ist diese Tourismusmonokultur erdrückend, sondern auch in den Köpfen hat sich eine oft abschreckende Geisteshaltung eingeschlichen.
Neben unserem Bambushaus beginnt es zu hämmern und zu schleifen. Alle 3 Jahre müssen die Hütten erneuert werden, ein Handwerk, das sich aus dem touristenverwöhnten Süden eher zurückgezogen hat und nun hauptsächlich vom Nordosten des Landes aufrechterhalten wird. Die Wanderarbeiter, eine Grossfamilie aus dem Grenzgebiet zu Kambodscha, sind schnell, fleissig und exakt. Mit zugeschnittenen Palmblättern und Bambusrohren erstellen sie für 1000 Euro kleine Kunstwerke. Während der Chef im Schatten döst, die Jungs und vor allem die Frauen arbeiten, spielen die Kinder mit unseren Mädchen und in Kürze entsteht vor unserer Hütte ein kleines Malatelier. Zwei Stunden später bewundern wir eine kleine Ausstellung.
Viele Bambushütten für Touristen sind verschwunden und werden vielleicht irgend einmal wieder als authentisch vermarktete Thai-Ressorts verkauft werden. Tatsache bleibt aber, dass die Touristenmassen die Standards neu gesetzt haben und die lokalen Traditionen verdrängen.
Erstmals seit wir im Land weilen, brauchen wir keine künstliche Luftabkühlung, da die Bambuskonstruktion die nächtliche Brise angenehm verteilt. Ohne Energie und ohne Air Condition-Erkältung, die sich inzwischen zur Hauptreisekrankheit entwickelt hat. Bambus ist mehr als eine Bauressource, mehr als nachhaltiger Rohstoff: Im Bambusrohr, das sowohl zum Reiskochen, als Heilmittel wie auch als Musikinstrument wieder nachwächst, steckt ein Grundverständnis Asiens, eine Kunst im Umgang mit Einfachheit und Vergänglichkeit. In vielen Gegenden dient er als Glücksymbol. Hier im Gebiet des Andamanen-Meeres erzählt sogar ein Schöpfungsmythos, dass der Mensch aus dem Bambusrohr entstanden ist.

Dienstag, 2. November 2010

Phi Phi Ley

Seit drei Tagen regnet es ununterbrochen, sintflutartig, unerbittlich. So haben wir den Monsun bisher noch nicht kennengelernt. Seit drei Tagen verhangen unsere Blicke mit schleichenden Nebelschwaden auf der direkt vor uns liegenden Insel Phi Phi Ley. Phi Phi Ley ist eine magisch anmutende Felskopfgruppe, die ebenso verheissungsvoll wie auch mysteriös gegenüber unserem Strand liegt. Nicht zufällig diente sie als Drehort für den Hollywood-Streifen "The Beach". Spätestens durch diesen Film hat der Ort seine Jungfräulichkeit verloren, aber die mayestätisch, geheimnisvolle Ausstrahlung beeindruckt nach wie vor. Angezogen von diesen monumentalen, aus dem türkisblauen Wasser ragenden Kalksteinfelsen warten wir also immer noch auf einen sonnigen Lichtblick, der den erhofften Bootsausflug ringsum die Insel ermöglichen würde. Langsam werden wir ungeduldig, die Wettervorhersage lässt keine Hoffnung aufkommen. Deshalb vertrauen wir auf unseren Instinkt für "Zwischenhochs". Plötzlich taucht am Horizont ein kleiner Lichtstreifen auf, der durch den etwas schwächer gewordenen Regenvorhang, ebenso surreal wie erfreuend wirkt. Die Sonne erlöst uns aber noch nicht, obwohl die Stimmung langsam steigt durch ein hellgrau, das das schwarzgrau abzulösen scheint. Die See bleibt bewegt und die Bucht vor Phi Phi Don hat sich mit Fischerbooten gefüllt, die anscheinend vor dem Sturm ringsum Phuket geflüchtet sind. Via Thai-Fernsehen und den Small-Talks am Strand erfahren wir von den Fluten, die das ganze Land momentan heimsuchen. Um die Wetterlaunen kann sich niemand hier drücken, alle sitzen im selben Boot, ob Tourist oder Hotelbesitzer, ob Chinese oder Schwede.
Da, unverhofft reisst der Himmel auf. Es ist bereits 3 Uhr nachmittags. Wir haben  wenig Zeit, uns zu entscheiden. Jetzt oder nie, wir müssen dieses Sonnenfenster nutzen, packen Wasserflasche, Bananen, Schnorchel und die Mädels aufs Longtail-Boot und brausen los. Der Wellengang ist beträchtlich, Schaumkronen am Horizont..., kommt das gut? Die sonst mit Booten überbevölkerte Inselroute ist jetzt völlig verlassen, aber die Sonne kommt, und wie. Sie flutet die Kalksteinfelsen in ein wunderbares Licht, indem Wolken, Meer und Felsen ein wuchtiges Schauspiel abliefern. Auf der windabgewandten Seite treffen wir auf ruhigeres Gewässer bis wir schliesslich den Eingang zur "Maya-Beach" erreichen. Mei hat sich besonders auf diesen Augenblick gefreut, da sie "ihren" Strand einfach einmal gesehen haben muss. Wir tauchen ab zwischen unzähligen, farbig schillernden Fischen, die durchs Abendlicht noch einmal ihre schönsten Seiten zeigen. Lia und Simea schnorcheln sich mit erstaunlicher Selbstsicherheit durch die Unterwasserwelt. Wir schweben dank dem abendlichen Zwischenhoch in einer spektakulären Arena zwischen Kalksteinwänden im Türkisgrün. In einer zweiten Lagune auf der anderen Seite der Insel entdecken wir noch einmal eine überwältigende Kalkstein-Landschaft, dieses mal in völliger Ruhe, da wir neben einem zweiten Boot die einzigen, wohl letzten heutigen Gäste dieses atemraubenden Naturwunders sind. Während Simea und Enya vom Boot in den Schlaf geschaukelt werden, bleiben wir sprachlos, eingehüllt von dieser magischen Schönheit. Dankbar schicken wir einen Gruss zum Zwischenhoch Richtung untergehende Sonne und machen uns auf den Rückweg.


Montag, 1. November 2010

Moment please!

Die Tatsache, dass wir seit 6 Wochen nicht mehr selber kochen, ist zwar eine sehr angenehme Entlastung für uns, für Simea aber manchmal eine Qual der Wahl, die sie überfordert. Das Auswählen, Bestellen und überhaupt der sich immer wiederholende Ablauf mit Floskeln, Lächeln und Warten gehen ihr oft mächtig auf die Nerven. So ist sie die einzige, die sich ab und zu ans Selberkochen, ans Gewohnte zurücksehnt. Sobald sie ein Curry oder irgendetwas entdeckt hat, das ihr passt, will sie überall nur noch dasselbe, egal wo und zu welcher Tageszeit. Obwohl wir verständlicherweise experimentierfreudiger sind als die Kinder, geben auch wir uns neuen Gewohnheiten hin. So hat sich inzwischen eine Art Standardmenu herauskristallisiert, das bei jedem Hungerast die Stimmung wieder anhebt: Green Curry und Shrimps per la Mamma, Fried Chicken with Carlic and Pepper für die Mädchen und Musamman Curry mit Chicken für mich. Dazu natürlich genügend Reis und Wasser. Für Enya scheint keine Sauce zu scharf zu sein und mit meist bis zu den Ohren zugeschmiertem Gesicht überrascht sie uns immer wieder mit ihrer Offenheit für das Unbekannte.
Der kulinarische Reichtum der Thai-Küche ist beeindruckend. Wenn die Grundregel eingehalten wird, kein europäisches Essen zu bestellen, ist es fast unmöglich, enttäuscht zu werden. Die ganze Palette aus dem Meer, verschiedenste Gemüse und Gewürze von Zitrusgras, Ingwer zu Koriander und unglaublich feurigen Chilischoten: Eine kreative Küche, die sowohl indische wie auch chinesische Einflüsse nicht verschmäht. Oft bestellen wir dieselben Currys, die auch aus der selben Küche immer wieder anders schmecken. Ob auf dem Markt in den dampfenden Gassen oder im gepflegten Sea View Restaurant, es schmeckt einfach immer gut. Es gibt aber trotz dieser sehr komfortablen Versorgungslage immer wieder die altbekannten und gefürchteten Hungerattacken, die ebenso typisch für Kinder wie für Reisende sind. Das Unterwegs-Sein lässt einem nicht immer einen geordneten Essrhythmus einhalten. Für allfällige Hungerkrisen haben wir immer irgendwelche Notrationen dabei. Meistens sind dies Bananen und "Rosy's", so eine Art "Universal-DarVida"…
Das Schlüsselwort des Thai-Service ist bereits gut verankert im Wortschatz von allen: "Moment, please!" Sei es für die Bestellung, die Bezahlung oder für Auskünfte.
Da diese Momente zwischen 5 und 30 Minuten variieren können, ist dieses Stichwort je nach Hungerstadium mit gewissen Unsicherheiten verbunden. Inzwischen ist diese Standard-Floskel öfters der Startpunkt eines eher unangenehmen Wartens, bis die schreienden Vögelchen endlich die Schnäbel gestopft kriegen.