Mittwoch, 29. September 2010

Freedom Bar

Nichts ist mehr wie vor der IT-Revolution in der Reisewelt. Die globale Vernetzung hat uns physisch und psychisch im Griff. Das Internet ist so allgegenwärtig, wie mächtig, so genial wie furchterregend, so kreativ wie zerstörerisch. Die Distanzen sind virtuell aufgehoben und jedes beliebige Land, sowie deren Sprache, Musik, Nachrichten können zu jedem beliebigen Zeitpunkt an quasi jedem beliebigen Ort abgerufen werden. Mein mitgeführtes Schwyzerörgeli ist deshalb so anachronistisch wie auch originell, da die heimatlichen Klänge trotzdem realer und irgendwie authentischer ertönen als alles mit den Erinnerungen verbundene im elektronischen Gedächtnis des Internets. Das Örgeli ist sowohl Symbol wie auch kreative Kraft der Spannung zwischen dem Unterwegs sein und der heimatlichen Verwurzelung. Ich bin froh, dass es dabei ist!
Die Freedom Bar ist ein herrlicher Traveller-Treffpunkt. Blick auf die Stimmungsvielfalt des Meeres, verhaltene Beats im Hintergrund, kühlendes Bier und Geschichten und Welten, die sich treffen und wieder verlieren. Die Travellers, die ich bisher in der Freedom Bar treffe sind die meisten jung, eher unerfahren und verdorben vom Internet. Alberto, der Italiener ist da eine Ausnahme: ein ausgestiegener Schönling, der einen neuen Sinn des Lebens sucht und die Nase voll hat vom Berlusconi-Italien.
Alle Reisenden sind Internet-abhängig in einem selbstverständlichen Sinn. Internet ist Teil des Reisen, macht vieles einfacher oder erst möglich, erhöht auf ungeheure Weise den Rhythmus mit der Gefahr sowohl Sensibilitäten wie auch Subtilitäten des Reisen zu vernichten.
Das Internet, wo das Surfen selbst auch Reisen sein kann, wenn auch nur virtuell, hat das Reisen so verändert, dass ich bis jetzt noch nicht urteilen kann, ob es mehr Segen oder mehr Fluch bedeutet. Nehmen wir uns die Zeit, dies noch ausgiebig zu testen.

Montag, 27. September 2010

Kinderprogramm

Seit einer Woche sind wir erst unterwegs. Die Zeit dehnt sich aus, so wie wir es kennen aus den früheren Reiseerfahrungen bei dieser Intensität von Neuem und Ungewohntem. Die Tage vergehen zwar im Handumdrehen, rückblickend scheint unsere Abreise aber schon sehr weit zurückzuliegen.
Die Kinderwelt nimmt uns voll in Anspruch und die Zeit zum Schreiben, sowie zum Lesen oder Musizieren ist sehr beschränkt. Dies könnte sich langsam ändern, wenn wir nun einen Ort finden, wo wir uns vorübergehend niederlassen könnten, sodass sich die Kinder selbständiger orientieren können.
Die konstante Nähe zur Familie ist eine Herausforderung, die nur mit Gelassenheit, Distanz zu den Problemchen und einer massvollen, bewussten Abgrenzung der eigenen Bedürfnisse bewältigt werden kann.
Die Kinder leben voll und ganz im Moment. Die Kraft des Unmittelbaren, die Magie des Augenblicks wird so zum roten Faden der Wahrnehmung. Oft ertappe ich mich, wie mich dieser Sog in seinen Bann zieht. Dadurch entstehen Situation, wo ich mich selber als eher distanzierende, reflektierender Mensch, selber fast nicht mehr erkenne, oder besser ausgedrückt, in denen ich das Kind in mir wieder auferstehen lasse. Diese Kinderwahrnehmung führt genauso zu Glücksmomenten wie auch zu spontanen Streitereien und unmittelbarer Verzweiflung.
Das Thema Kind sein und die ständige Veränderung des Reisens, der Fluss des naiven Wahrnehmens, des erstmaligen Erlebens und des unverdorbenen Staunens wird uns wohl nun Monate begleiten.
Beim heutigen Mittagessen waren wir plötzlich inmitten einer sehr philosophischen Diskussion dank Lia's Neugierde und hartnäckigem Fragen. Es ging um den Himmel, ob dieser schon immer da war, von wo er dann kommt und wie Gott ihn erschaffen hat, warum und wie dann wohl Gott entstanden ist, und ob es die Luft schon vor dem Himmel gegeben hat, oder was den vorher eigentlich war… all die Fragen nach dem Ursprung der Schöpfung während einem ganz banalen Reis-, bzw. Spaghettiessen.

Sonntag, 26. September 2010

Nachtzug in den Süden

Der Portier schaute völlig entgeistert aus seinen sonst immer freundlich lächelnden Augen, als ihn Simea mit voller Wucht anschrie, nachdem er sie leicht am Arm angefasst hatte: Ein Kultur- und Generationenzusam-menprall von erster Güte. Simea lässt sich nun nicht einfach so von fremden Menschen anfassen und der freundliche Portier ist schockiert ob so viel europäischer Distanz, da es die Thais als völlig normal empfinden, dass sich auch Unbekannte herzliche anfassen. 
Nach 4 Tagen in Bangkok rollen wir im Nachtzug gegen Süden durch die Vororte der chaotischen Metropole. Viele Baustellen, unzählige von Rollern und Autos verstopften Strassen. Überall Kanäle und aufgestelzte Holzhäuser, immer wieder die Bilder von König und Königin, sowie unzählige Schreine, Altare und Opferstädten in Rausch der Abendstimmug. Die untergehende Sonne taucht dieses ruhige Chaos in eine trügerische Grossstadtromantik. Trotz des Baubooms und der hohen Anzahl von teuren Überland-Cruisern und Prestigemarken, zeigt sich die Armut an allen Ecken und Enden, wenn zum Teil auch sehr diskret. Bettler sehen wir auffallend wenige und die Strassen sind erstaunlich gepflegt. Auch sind Stromversorgung und Abwasserkanäle einigermassen unter Kontrolle, so scheint es jedenfalls. Aufgrund der "chaotischen Ruhe" frage ich mich, ob da der Buddhismus wohl seine Beitrag leistet? Oder ob diese Gelassenheit aus Klima, Schicksals-ergebenheit oder von wo auch immer herrührt?
Die Reise nach Trang dauert so gegen die 15 Stunden, kann sich locker um 2-3 Stunden verlängern je nach Saison. Dieses Mal aber scheint alles fahrplanmässig abzulaufen, sodass wir um 8 Uhr im Provinz-bahnhof von Trang einfahren. Das TukTuk wartet bereits auf uns. Neben einer zweiten Familie mit zwei Töchtern sind wir die einzigen Touristen, die aus dem Zug aussteigen. Die Stimmung ist ruhig. Leichter Monsunnebel dampft über den Dächern. Die Restfeuchte vom gestrigen Regen strebt gegen den Himmel, um bald wieder von den hinten am Horizont herannahenden Wolkentürmen ausgeregnet zu werden.
Freundlich werden wir von einer älteren Frau empfangen, die uns sogleich in ihr kleines unwahrnehmbares Guesthouse führt, um auf den nächsten Minibus zu warten, der uns in 1 ½ Stunden nach Ko Lanta bringen soll.

Die Busfahrt kommt einem kleinen Test gleich, wie sich die Kinder nach 15 Stunden Reisen bei Hitze und allmählichem Hunger durchschlagen. Wir staunen, wie problemlos, dass alles abläuft, trotz je einer kleinen Krise pro Kind. Nach Mittag erreichen wir endlich verschwitzt und müde das Meer und setzen uns mit erlösendem Blick in die Weite unter die Palmen.

Donnerstag, 23. September 2010

Landung Thailand

Über 800 Hochhäuser thronen über dem Stadtzentrum und lassen die Gassen mit Hilfe der dicken Monsunwolken erdunkeln. Wann kommt der erlösende Regen dieser drückenden Hitze?
Wir testen den Subway, der blitzblank und mit den Hochsicherheitsschranken der erst kürzlich eingerichteten Verkehrsunterwelt ungewohnt steril erscheint. Die darüberliegende Taxiwelt entspricht viel mehr dem Grossstadt-Chaos, das wir erwarteten. Die Luft ist schlecht. Überall tragen Menschen Schutzmasken, überall dröhnen die Scooter durch die engen Schluchten der riesigen Spiegelsäulen, vorbei an den Essständen, welche die Gehsteige säumen. Maiskolben, Fischgeruch und immer wieder kleine Altare geschmückt mit Blumen und Kerzen und diversen Opfergaben. Auch wenn diese Bedingungen nicht gerade zur Meditation inspirieren, ist irgendwie keine Hektik spürbar. Die Menschen treten äusserst ruhig und gelassen auf, nur selten laute Worte, nur wenig Hupen und keine Anzeichen von Stress, wie wir es von gehetzten Westlern kennen. Die Gesichter strahlen eine Ruhe aus, die wohl eher zu Lethargie neigen, als zu entschlossenem Engagement, die aber jederzeit für ein Lächeln positive Stimmung erzeugen können.
Das Buchen für den Nachtzug in den Süden wird zum Tagesausflug mit all den spannenden Grossstadtdetails in den dampfenden Gassen, auf den überfüllten Strassen und im wohltuend grünen und ruhigen Lumpini- Park.
Die Mädchen gewöhnen sich allmählich an den intensiven Rhythmus, auch wenn alles nach wie vor viel Energie zum Verarbeiten braucht. Die Tagebücher in Mal-, Kleb und Bastelform sind eine ideale Entspannung! Mir bleibt dann das Schreiben als Verdauungsform der Eindrücke aus dem neuen Reiseuniversum.

Dienstag, 21. September 2010

Bangkok Ankunft

Bei über 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit, das alles erkleben lässt, geniessen wir unser angenehmes, runtergekühltes Hotel im Diplomatenviertel. Die Luft liegt schwer über der vor uns liegenden Skyline der 10 Millionen-Metropole.
Wir sind in Jetleg-Stimmung und mein Kopf fühlt sich nah einem regelrechten Kater an, der nicht zu schwinden scheint. Nicht nur die lange Reise und die Zeitverschiebung, sondern vor allem auch die letzten Wochen des Ab- und Aufräumens, Abschiednehmens und Aufbrechens, haben mir zugesetzt und meine Energiereserven, die ohnehin schon knapp waren, vollends aufgebraucht.
Die Kinder sind ideal eingestellt auf das vor uns liegende Jahr. Alle sind voller Abenteuerlust und geniessen die Vogelfreiheit und den Reiz des Ungewissen. Mit einigen kleinen Utensilien der Gewohnheit wie Bastel und Malausrüstung für Simea und Lia, Mini-Computer und Örgeli für mich, Yogamätteli und Lektüre für Mei.
Das Loslassen und die Reiseungewissheit wie auch das Distanzgefühl und die kulturelle Fremdheit hat sich mit der virtuellen Globalisierung durch das Internet verändert. Wir sind hier angekommen, trotzdem aber mit Mail, Computer und Handy irgendwo mit der vertrauten Welt vernetzt geblieben. Mit Spannung schaue ich in unsere nächsten Monate hinein und frage mich ebenso wie Lia im Flugzeug, ob wir uns in einem Traum befinden oder das ganze Unterfangen wirklich real ist. Der Blick der Kinder ist eine Erfüllung beim Reisen, indem neues Staunen und unverdorbene Sichtweisen immer wieder überraschen.
Heute morgen hat uns Enya wieder einmal mit einem kleinen Streich überrascht. Auf der Suche nach einer ruhigen Ecke haben wir sie nicht genügend Ernst genommen. Daraufhin hat sie kurzerhand einen kleinen Tanz auf dem Tisch aufgeführt und hinterliess einen dicken braunen Streifen. Zum Glück beobachteten wir sie, sodass grösseres Unheil (bei den übrigen Hotelgästen) noch verhindert werden konnte.