Samstag, 23. April 2011

Yogainsel

  Als Kontrast zum Sog des hiesigen Fullmoon-Kultes tummelt sich ein zweites Publikum auf dieser Insel: Die Yogaszene. Eine in Thailand noch nie gesehene Dichte von Yogakursen, Retreats, Meditationsübungen und Heilpraktiken werden auf Hochglanzbrochüren oder zerknitterten Fresszetteln angeboten. Pinwände und Ladeneingänge sind vollgeklebt mit Erleuchtungs- und Heilsversprechungen aller Art. Parallel zur Fullmoon-Szene widerspiegelt dieser Yoga-Mikrokosmos ein weiteres Gesicht des westlichen Lifestyles im asiatischen Jahrmarkt der Selbstverwirklichung. Aus aller Welt kommen die Yogaübenden, vielen bleiben hier hängen oder kommen seit Jahren für ein paar Monate, um im Tropenwind die Spiritualität zu finden, die sie in ihrem Überdruss von Konsum und Stress zu Hause nicht mehr finden.
Mei mischt seit einer Woche am Rande dieser Szene mit. Der Berner Yogi Reinhard Gammenthaler wurde für zwei Wochen Intensivkurs eingeladen. Sein Publikum ist ebenso vielfältig, wie das Yoga-Angebot auf der Insel. Mei's Woche ist intensiv und sie wirkt von Tag zu Tag physisch und psychisch entspannter. Die harte, disziplinierte Yogapraxis aus der "Berner Mattenschule" erscheint viel bodenständiger als die abgehobene verschworene Tantraszene der "Agama" Yoga-Schule: Ein Yoga-Schlagwort, zwei ziemlich unterschiedliche Wege mit differierenden Ein-, Vor und Yogastellungen, die faszinieren oder befremden. Irgendwie kriege ich das Gefühl nicht los, dass ich einer der wenigen Ausländer auf dieser Insel bin, die weder Yoga noch Fullmoonparties praktizieren. Sogar die Mädchen engagieren sich im Kinderyoga mit ihrer neuen Freundin Neves, die sie am Strand getroffen haben. Auch das Yogapublikum ist globalisiert, normalerweise eher älter als die Party-Junkies aber ebenso geprägt von  hedonistisch-narzistischen Persönlichkeiten aus dem Westen. Als Insel-Szene-Markenzeichen ist mindestens ein Tattoo an exponierter Lage verlangt. Die meist gut geformten Körper verhüllen sich bei den Männern eher dürftig , währenddem die Frauen einen feenhaften Look zelebrieren, möglichst indisch, langrockig und langhaarig. Ein buntes Gemisch von Esoterik, Wahrheitssuche und Selbstverwirklichung hat sich hier zwischen Palmen, Sandstrand Dschungeldickicht eingenistet. Zufällig stossen wir auf diese bunte Menge während einem akkustischen Gitarrenkonzert im "Art Caffé". Zuerst spüren wir so etwas wie Kommunengeist dank lieblich fein angestimmten Beatles-Coverversionen. Da sich hier alle lieben, lächelt jeder, was er kann. Allerdings verspüre ich wenig Einfühlungsvermögen gegenüber Nicht-Eingeweihten. Kinder sind schon gar nicht erwünscht. So ernten wir mit den 3 Mädels glasige Blicke, als ob Kinder ein Vergehen gegen die spirituelle Selbstverwirklichung bedeute. Meine Kommunikationsversuche scheitern kläglich. Irgendwie läuft's mir kalt den Rücken runter ob so viel Liebes-Theater, nichts scheint natürlich, alles irgendwie wie im Film. Möglich, dass ich da einfach nicht mithalten kann, und ich diese feinstoffliche Ebene eher als absurdes Drama denn als spiritueller Weg wahrnehme.
Zum Abschluss der Yogaausbildung in der "Agama"-Yoga-Schule, werden in einem grossen Saal jeweils im Rahmen der "Final Ceremony" die Diplome vergeben. Erstmals dürfen auch die Kleinsten ihr Yogadiplom beim Guru Swami Vivekananda persönlich abholen. Mit Blumenkranz, Bindi-Punkt und Reisküchlein wird ihr Einsatz zeremoniell gewürdigt. Dann zeigen die Mädchen (Jungs sind dieses Mal keine dabei) ein kleine Probelektion und zum Erstaunen aller platziert sich auch Enya selbstbewusst auf der Matte vor dem Thron des Meisters. Obwohl alle Mädchen ihr bestes geben, stiehlt Enya natürlich allen die Show: Hochkonzentriert mit einer Engels-Mimik, die selbst Guru Swami Vivekananda erblassen lässt, zeigt sie ihren Sonnengruss würdevoll. Ein wahres Blitzlichtgewitter erfüllt die Halle und die sonst verbreitete Zurückhaltung gegenüber den Kindern löst sich langsam auf in Schmunzeln und Staunen: Die Kinder bleiben auf dem Boden und warnen vor der Verblendung auf dem Weg zu Erleuchtung.