Montag, 7. März 2011

3 Quadratmeter


Sie wohnt mit ihrem Sohn in einem Holzschrank mit einer Grundfläche von ca. 3 Quadratmetern. All ihre Habseligkeiten sind irgendwie in dieser Kleinswohnung aufgehängt, jeder Zentimeter scheint durchorganisiert zu sein. Wie lange wohnt sie schon in dieser Holzkiste, Monate oder Jahre?
Diese Wohnflächen sind unweit von unserem 20 Quadratmeter grossen Hotelzimmer nichts Aussergewöhnliches.
Wandern wir durch die Gassen im Chinatown-Viertel wird uns der Kampf um die Quadratmeter in der Grossstadt noch eindrücklicher vor Augen geführt. Keine Ecke bleibt ungenutzt, kein Tisch zu klein, um Ware feilzubieten, kein Trottoir zu eng, um Kochtöpfe zu installieren. Dem Auge des flanierenden Beobachter wird hier keine Pause gegönnt. Die Gassen brodeln vor Geschäftigkeit. Der chinesische Handelswahn dringt in jede Ritze, das Klima und die Verhandlungsmoral werden härter im Vergleich zum sonst so sanften Thai-Stil.
Die knappen Platzverhältnisse sind eine Tatsache, mit der man sich arrangiert und nicht hadert. Ansonsten würde man hier nach einigen Tagen wohl durchdrehen. Grossstadttempo auf engem Raum verlangt Bescheidenheit in den Ansprüchen nach intimen Quadratmetern. Wir wandeln als völlige Landeier durch diese geballte Enge urbaner Dichte.
Die durchschnittliche Fläche unserer Unterkünfte entspricht ungefähr 25 Quadratmetern. Verglichen mit den schweizerischen Wohnverhältnissen mag dies wenig erscheinen. In diesen Gassen der Millionenmetropole werden aber Platzansprüche so relativiert, dass wir uns dankbar als Privilegierte wähnen. Das südostasiatische Klima weckt einen Lebenstil, der sich hauptsächlich nicht innerhalb der "eigenen" 4 Wände abspielt. Bekanntlich werden so Privatsphäre und das "Zuhause" völlig anders definiert als in kälteren Breitengraden. Obwohl wir uns diesen Gewohnheiten angepasst haben, bleibt das Rückzugsbedürfnis und der Anspruch auf eigene Wände vor allem auch bei den Kindern erhalten. Die Kinder fühlen sich meistens sehr wohl im kleinen begrenzten Territorium, egal ob da Fenster vorhanden sind, ob Geruchsemissionen die Gemütlichkeit verjagen oder Lärm die müden, überhitzten Sinne quält. Scheinbar kennen die Kinder das Gefühl, dass einem die Decke über dem Kopf zusammenfällt noch nicht so ausgeprägt. Unsere Faszination Grossstadt ist momentan am Verblassen und wird abgelöst vom Bedürfnis nach Platz, Ruhe und Weite. Erwartungsvoll blicken wir Richtung Himalaya, um diesem Wunsch nachzugehen.
Haben im Schrankhaus hinter unserem Hotel solche Wünsche überhaupt Platz? Ein Vergleich mit diesem Leben auf 3 Quadratmetern bleibt hart und offenbart uns einmal mehr wie nah Arm und Reich auch im aufstrebenden Bangkok noch nebeneinander liegen. Die Knappheit der Quadratmeter kann sich in so krasse Lebensbedingungen zuspitzen, dass Vergleiche einfacher nur noch "zerplatzen".  

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