Samstag, 26. März 2011

Gebetsfahnen

Überall flattern sie. Rot, gelb, grün, blau und weiss tanzen sie auf Brücken, Berggipfeln, Passübergängen oder vor Tempeln und Stupas. Die Gebestfahnen verbreiten über's Land eine ständig präsente spirituelle Stimmung. Die bhutanesisch-buddhistische Symbolik wird so den Flüssen entlang, über Bergweiden und Felswände hinausgetragen. Die Bewegung des Windes wird in den Flattergeräuschen eingefangen und lässt eine Gebetsmusik entstehen, die oft von den Klängen der Gebetsmühlen begleitet wird. Sowohl die Toten, wie auch die Lebenden werden von diesen himmlischen Melodien über die Weiten der Täler begleitet.
Die fünf Farben repräsentieren die fünf Elemente (mit dem Eisen als fünftes, "fernöstliches" Element), können aber auch die 5 Weisheiten, die 5 Meditationen Buddhas, die 5 Himmelsrichtungen oder die 5 mentalen Zustände symbolisieren. Die Fahnen sehen zwar meistens ähnlich aus, haben aber alle verschiedenen Bedeutungen. Ein Ziel teilen sie schliesslich alle: Sie sollen für alle Lebewesen Segen und Schutz von den Göttern bringen. Für uns sind sie unterwegs längst treue Begleiter geworden:
Beim Aufstieg zum angeblich grössten sitzenden Buddhas Asiens, der in 2-3 Jahren fertiggestellt werden soll, leiten uns die nicht versiegenden Flattergeräusche durch den duftenden Föhrenwald. Als wir die Baustelle erreichen, pfeift uns ein auffrischender Südwind entgegen. Staub wirbelt durch die Luft. Es ist Sonntag. Nur einzelne Arbeiter schleichen durch die gigantische Gerüstlandschaft des Sockels der Statue. Hier soll ein Pilgerziel mit Restaurant, Museum, Hotel und Souvenirshops entstehen. Ein Projekt, das eher an chinesischen Gigantismus, als an bhutanesisch, exklusive Bescheidenheit erinnert. Verstaubt und ausgetrocknet nehmen wir den Rückweg in Angriff, um uns von den Gebetsfahnen Richtung Thimpu tragen zu lassen.
Auf dem 3425 Meter hoch gelegenen Yotong La hat sich das Flattern in ein Rattern verwandelt. Der Wind bläst eisig und Graupel jagt durch die feuchtkalte Luft. Der Pass ist förmlich eingepackt mit den farbigen fünf Wegbegleitern. Im dichten Nebel ragen die moos- und flechtenverhangenen Föhren gespenstisch in die weisse Feuchte. Unsere Schneebälle fliegen um die Stupa und verschwinden im farbigen Fahnenmeer. Der Schnee ist nass und mit Eiskörnchen durchsetzt, sodass nicht besonders grosse Nostalgie zum bekannten, heimatlichen Weiss aufkommt. Nur Enya erfreut sich am Schneemann, der mit Rododendronästen geschmückt ist. Die Fahnen wünschen uns gute Fahrt in diesem garstigen Klima.
Über dem Bumthang River senden die bunten Boten zwischen Himmel und Erde das Glück von den Brücken talwärts.  Wir überqueren die Hauptverbindung des Tales mit den letzten Sonnenstrahlen und kehren nach einem anstrengenden Tag zum wohlverdienten Tee zurück. Die Fahnen sind unermüdlich im kühlen Abendwind. Deren Symbolik, Metaphern und Bilder tauchen uns ins Wolkenspiel des  aufklarenden Himmels. Dankbar und müde lassen wir unsere Seelen mitflattern.

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