Sonntag, 5. Dezember 2010

Chlaustag

Menschenleer sind die Strassen von Lagawe. Der nasse Boden glitzert feucht bei matter Beleuchtung. Im Gleichschritt ziehen wir mit schneeweissem Hirthemd, "Chrumme" im Mundwinkel und dem standesgemässen Chlausenhalstüechli an verlassenen Marktständen vorbei. Mit den traditionellen Gongs, die ausschliesslich für rituelle Tänze und traditionelle Feste der einheimischen Ifugaos verwendet werden, "trycheln" wir im gemächlichen Ryhthmus. Tom und ich werden von einem Nidwaldner Samichlaus in kurzen Hosen begleitet, der mit der Plastikflöte von Lia die Küssnachter  Chlausenmelodie in die Dunkelheit hinaus trällert.
Vor dem philippinischen Nationalhelden José Rizal zünden wir den obligaten Böllerschuss, der jeweils den heimatlichen Umzug Punkt 20.15 Uhr lanciert. Der Schweizer Kracher erschüttert die nächtliche Stille dermassen, dass wir es vorziehen, der in Rauch eingehüllte Ort möglichst bald zu verlassen und zum Kirchenplatz zurückzukehren. Unser Zügli wirkt zwar eher surreal, was aber unseren heimatlichen Gefühlen keinen Abbruch tut. Die Mystik der Gongs verschmelzt mit der Erinnerung des urschweizerischen Trychel-Klanges. Der Qualm unserer Raucherwaren verbindet tropische Hitze mit den Bildern von leichtem Schneefall und Weihnachtsbeleuchtung.
Trotz der andächtigen und meditativen Stimmung durch Klang, Emotionen und Geruch, können wir das Schmunzeln über unser Trio nicht verkneifen. Zu absurd, zu skurril durchqueren wir den Kirchenplatz, um schliesslich mit einer Temposteigerung den Umzug abzurunden.
Anders gestern beim Chlausabend für die Kinder: Der Samichlaus kam eingeflogen über Manila und mit dem Nachtbus in den Norden, um die Schweizer Kinder auch in der Ferne nicht zu vergessen. Alles wie zuhause, fast alles, sodass die Kinderaugen genauso leuchten, wie eben im gewohnten gut-schweizerischen Umfeld. Die Liedli und Gedichtli rollen über die glänzenden Mädchenlippen und der Samichlaus zeigt sich einmal mehr von einer beeindruckenden und gutmütigen Seite.
Was für die Kinder völlig selbstverständlich ist, bedeutet für uns eine kulturelle Gratwanderung zwischen zwei Welten, die auf den ersten Blick sehr wenig miteinander zu tun haben. In der hochglobalisierten Armut der Philippinen leuchten aber genügend Symbole vom Weihnachtsmann bis zum Christkind und den Engelein zwischen Blechhütten und Einkaufszentren. Unsere Chlausentage sind deshalb trotz ungewohntem kulturellem Umfeld global aufgehoben zwischen Geisterwelt, Legenden, Religion und Kommerz.