Sonntag, 19. Dezember 2010

Frühmesse

Die Schwestern des Santa Catalyna Convent in Baguio sind in Hochstimmung. Seit dem 16. Dezember lassen sie die Klostermauern in einem feierlichen Weihnachtsrausch erklingen. Jeden Morgen um 3.00 Uhr beginnt Schwester DJChristmas  mit einer zuckersuessen BestOf von bekannten und vergessenen Weihnachstschnulzen, und dies in einer solche Lautstaerke, dass ausser die Kinder alle erwachen, die innerhalb des Convents naechtigen. Diese Nachtruhestoerung hat ihren guten Grund. Um 4.00 Uhr naemlich ertoenen im ganzen Land die Glocken zur philippinischen Weihnachtsfruehmesse, dem Simbang Gabi. 9 Tage vor Weihnachten beginnt die intensive Vorbereitung, die schliesslich in der Mitternachtsmesse vom 24. Dezember gipfelt.
Die Schnulzen sind so quaelend laut, dass ein Weiterschlafen fuer mich nicht mehr in Frage kommt. So braucht es wenig Ueberwindung, um sich in die bereits dicht geschlossenen Reihen der Kirchgaenger zu draengen. Die Klosterkapelle ist prallvoll. Sogar die Eingangshalle nebenan hat keine freien Plaetze mehr. Die Messe wird hier mit Beamer auf Grossleinwand uebertragen. Die Eingangstuere steht weit offen, sodass der kuehle Nachtnebel von der Bergstadt Baguio ueber die betenden Gesichter streift.
Diese neun Tage bilden so was wie den Jahreshoehepunkt fuer die immer kleiner werdende Glaubensgemeinschaft, die der heiligen Katharina nachfolgt und dem Dominikanerorden angehoert. Vergebens suche ich bei ihrer Christmas-Party nach jungen Schwestern. Irgendwie scheinen diese Klostermauern ihre Bluetezeit schon laenger hinter sich zu haben. Die Lage ist zwar wunderschoen, das Klima angenehm kuehl, die Nebel gespenstisch schoen  und die Huegel wild und leuchtend gruen. Trotz diesen eigentlich guten Voraussetzungen ist der Ort in der Entwicklung typisch philippinisch am Stagnieren.
Die Predigt der Fruehmesse kommt nicht ueber die ublichen katholischen Floskeln hinaus. Symptomatisch fuer das Fehlen von Visionen, Dynamik und frischem Wind. Die Kircheninhalte beruehren den Alltag der Menschen kaum. Und so wird mir denn auch immer wieder bestaetigt, dass die Philippinos zwar keine schlechten Kirchgaenger sind, christliche Werte im Alltag aber nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Die Messebesucher sind andaechtig, beten fromm, sind vom harten Leben gezeichnet und einige sind auch noch nicht ganz wach, wie ich. Nach der Messe gibt es auf der Kirchentreppe Ginger-Tea und die traditionellen Sticky-Reiskuechlein. Ich verziehe mich noch einmal fuer ein Nickerchen und bin froh, nicht alle 9 Messen besuchen zu muessen. Die Kirche wird auch morgen wieder voll sein, denn es gilt, wer alle 9 Tage dabei ist, wird im naechsten Jahr von Unheil verschont und mit Glueck gesegnet.