Montag, 13. Dezember 2010

Jagdgründe

"Jetzt habe ich endlich einen richtigen Jäger gesehen. Er sieht ein wenig aus wie ein Räuber." Simea und Lia sind beeindruckt von Gewehr, zerrissenen Hosen und den roten "Momamäulern" der erfolglosen Jäger, die in Apa, unserem Jagdhütten-Camp vorbeischauen. Beute haben sie schon länger keine mehr heimgetragen. Sie geben dann auch zu, dass sie eigentlich besser fischen gehen sollten. Raubkatzen, Schalenwild oder Affen, alle sind kaum mehr zu finden. Ohne systematischen Schutz und einer Jagdplanung haben hier in diesen weiten, entlegenen Jagdgründen die Wildtiere keine Chance.
Glücklicherweise fragen die Kinder nicht allzu hartnäckig nach dem Sinn und Zweck des hiesigen Jagens. Vor allem Simea reagiert sehr sensibel gegenüber den toten Tieren und isst deshalb nur wenig oder gar kein Fleisch oder Fisch. Den Philippinos scheint ein Mitgefühl gegenüber Tieren total fremd zu sein. Sowohl Spiel wie auch Arbeit mit den Tieren artet oft aus in brutale Umgangsformen oder sinnlose Quälereien.
Zu später Stunde, alle Kinder schlafen bereits, sitzen wir ums Lagerfeuer. Die Geschichten rollen, die Flammen züngeln und der Goava-Wein schmeckt. Unverhofft taucht Roger, einer unserer Guides, aus dem Dunkeln mit einem aufgespiessten Frosch an seiner Harpune. Halblebendig liegt er schon über den Flammen und 20 Minuten später habe ich den ersten aum Bambuszweig grillierten Frosch meines Lebens verspiesen. Mei lehnt dankend ab, obwohl Frösche besonders gesund für die Gelenke seien, wie wir von Roger erfahren. Schon bald ist dieser wieder weg, um noch einige "Spielfrösche" für die Kinder zu fangen. Tatsächlich bringt er dann noch eine ausgewachsene Kröte und ein kleineres, leuchtendes Fröschchen aus der pechschwarzen Dunkelheit.
Am nächsten Morgen, als Roger das neue "Spielzeug" präsentiert, müssen Lia und Simea mit Schrecken feststellen, dass die Kröte das kleine Fröschlein verschluckt hat. Eine Flucht des Kleinen konnte ausgeschlossen werden, da das arme Kerlchen im Bauch des grossen ertastet werden konnte. Zum Trost der Mädchen will Roger dann der Kröte eine Spazierleine verpassen. Was für die Philippinos völlig normale Alltagsunterhaltung ist, löst bei den Mädchen soviel Mitleid aus, das sie die Kröte schliesslich heldenhaft in die Freiheit entlassen.
Unsere Führer, die seit ihrer Kindheit alles jagen, was sich bewegt, lassen die Frösche  für heute in Ruhe. Dafür wird die kleine Harpune nun für die Flussfische eingesetzt, die sie mit Hilfe einer Taucherbrille reihenweise aufspiessen. Geschickt und mit Leidenschaft demonstrieren sie ihr Können. Lia nimmts eher gelassen, aber für Simea ist diese Jagdleidenschaft etwas, das sie langsam und gründlich verarbeiten muss. Am Mittag sind sich alle Europäer einig: fritiert schmecken die Fischchen viel besser als direkt von der Harpune!