Dienstag, 28. Dezember 2010

Reisewurm

Es gibt Tage, die fliessen einfach so dahin und es gibt Tage, da ist der Wurm drin. Der heutige Reisetage wird uns als eher holprige Angelegenheit in Erinnerung bleiben. Wir sind ziemlich übermüdet, da Lia durch einen 1 1/2 stündigen Hustenanfall den Schlaf verkürzte.
Die Luft ist noch relativ kühl im Morgensmog von Manila und die Weihnachtsbäume blinken noch immer an allen Ecken. Wir fahren los mit vollgestopftem Taxi hinein in die bereits verstopften Highways Richtung Flughafen. Auf der Bay-Walk-Road heult plötzlich Lia auf und fragt, wo denn die Kinderrucksäcke sind. Vergessen - zurück ins Hotel - zurück in den Stau - zweiter Anlauf- die Zeit drängt - der Taxifahrer auch.
Auf dem Flughafen Manila's herrscht eine seltsame, weihnächtliche Ruhe. Von Reisehektik ist hier nur wenig zu verspüren. Wer kommt schon zu Weihnachten nach Manila? Noch vor der Passkontrolle werden wir aufgehalten: Flughafengebühren - 3000 Pesos - was wir natürlich nicht mehr flüssig haben.  Wir kratzen Dollars, Euros, einfach alles zusammen, was wir noch haben. Es fehlen noch 2 Dollars. Mit der Frau ist nicht zu verhandeln. So geben wir die frisch gekauften Postkarten am Kiosk wieder zurück und es reicht auf den Peso genau zum Durchlass.
Noch vor der Passkontrolle wieder eine unverhoffte Hürde: Eine DepartureCard, die wir vergessen haben - zurück - ausfüllen - die Zeit drängt - tja und dann dreimal alles auspacken und ausziehen - durch die Sicherheitskontrollen, die in Begleitung von Kindern noch absurder erscheinen. Ein letztes Mal offenbaren sich die Spuren des amerikanischen Sicherheitswahns auf philippinische Art und Weise.
Leicht verspätet sitzen wir dann endlich in unserem grossen Vogel. Alle Kinder sind topmotiviert. Vor allem Lia liebt das Fluggefühl. Der Vogel hebt aber nicht ab - warten - dann die Durchsage: technischer Defekt - alle Aussteigen - Abflug frühestens in 2 Stunden. Beim Verlassen der Maschne verschwinden dann auf unerklärliche Weise die Boarding Cards. Ohne Boarding Cards gibts keine Weiterreise. Wieder kurzer Stress. Zum Glück zeigt sich das Personal hilfsbereit mit der zerstreuten Familie und bald sind die Karten nachgedruckt. Wieder in der Wartehalle sinkt die Stimmung. Hunger, Durst und der verlorene Schlaf melden sich. Die Stimmung bleibt gereizt, bis wir die Pizza Hawai mit einer erlösenden Wasserflasche dank der neu gedruckten Boarding Card abholen können. Eine gewisse Gelassenheit kehrt zurück, bis wir schliesslich vernehmen, dass eine neue Maschine gefunden wurde und wir doch noch heute abfliegen.
Von Reiseromantik spüren wir zur Zeit nur wenig. Alles erscheint heute irgendwie verschwommen, verzerrt und anstrengend. Dank dem Aktivismus der Kinder werden Mei und ich dauernd wieder aus dem langersehnten Minutenschlaf gerissen. Als wir dann dank einem total ungeschickten Flight-Attendant, mit Wasser, Wein und Orangensaft überspritzt sind, strampelt auch noch Enya die Verpflegung vom Tisch. Schliesslich schmeisst mir die Bedienung noch mein Menu unter den Sitz, sodass der Appetit mit der Stimmung definitiv vom Tisch sind.
Während wir uns mit einem Glas Wein und ein wenig Musik zu entspannen versuchen nähert sich uns das asiatische Festland unter uns im Abendlicht. Thailand winkt uns wieder entgegen. Als wir beim Einnachten mit dem Taxifahrer lachen, die Kinder tapfer das Grossstadttempo durchhalten und wir uns mit letzten Kräften mit Sack und Pack durch die aus allen Nähten platzende Kaosan Road schleppen, ist uns klar: Bangkok empfängt uns so stimmungsvoll mit Temprament, wunderbarem "Street Food" und wohltuender, lauter Musik, dass wir den harzigen Tagesverlauf endlich wegstecken und den Wurm begraben können.