Mittwoch, 2. Februar 2011

Bewegter Stillstand

Dass die meisten Reisenden angetrieben werden von einer Neugier, Fremdes zu entdecken, Neues zu erfahren und das bisher Unbekannte besser zu verstehen gleicht einer trivialen Tatsache. Dieser durchaus positive Antrieb führt aber zu ganz unterschiedlichen Reisetypen und Wahrnehmungsmuster und ebenso zu verschiedenen Reisegeschwindigkeiten und Planungsarten. 
Wir fühlen uns immer wieder in vielen Reisebelangen als Exoten, wenn wir den grossen Mainstream beobachten. Umso länger unsere Reise dauert, desto bewusster wird uns das unbezahlbare Privileg, Zeit zu haben. Denn die Zeit wird zum wichtigsten Kapital und gerade da happerts beim grossen Mainstream, der aus der Hektik der postindustriellen Gesellschaft entstanden ist. Immer wieder fragen wir uns auf vielleicht schon kindliche Art und Weise, wieso die Reisenden sich so schnell bewegen, wieso in einem Tag drei Orte besuchen, statt einen, wieso in drei Monaten 8 Länder abklappern statt eines. Die Jagd nach Sehenswürdigkeiten, dem letzten Kick und dem ersehnten Exotischen unterliegt einer unheimlichen Unrast, einem Tempodiktat, das Orte und Menschen vorbeifliegen lässt. Die forsche Reisegeschwindigkeit vieler Touristen lässt Skepsis gegenüber dem Reisekult aufkommen, stellt das Reisen grundsätzlich in Frage und offenbart eine Leere zwischen den sesshaften, armen, traditionell verwurzelten Laoten und den globalisierten, mobilen und reichen Temposündern bloss. Die hiesige Gemächlichkeit ist und hat System, sodass der Fremde umso eher aufgefordert wäre, zu entschleunigen und mit Grosszügigkeit die Zeit zu verschenken. Dass die Chance nur selten gepackt wird, zeigt uns die Tatsache, dass man in den Gästehäusern bereits als "long-stay" gilt, wenn man länger als 2-3 Tage bleibt.
Die Laoten beeindrucken mit ihrem Zeitkapital, aus dem ihre Langsamkeit und Geduld erwächst. Auch deshalb bleiben wir hier in Luang Prabang stehen und bewegen uns, so quasi vertikal, in die Tiefe. Wir graben in die Unergründlichkeit dieses wunderbaren Ortes, in die Geschichten des Alltags und lassen uns führen von der Windrichtung der momentanen Stimmungen. Schon nach den ersten Tagen haben wir bemerkt, dass wir hier wohl nicht mehr so schnell loskommen. Unser Fokus ist auf die Bewegung an Ort und auf die Entschleunigung des Tages ausgerichtet, ganz gemäss den hiesigen Gepflogenheiten. Insofern sind wir für die meisten Besucher hier "Zeitexoten", für die Laoten aber überraschende Westler, die versuchen ihren Umgang mit der Zeit zu verinnerlichen. Vor uns liegt ein knapper Monat, den wir so grosszügig wie möglich verschenken, um so dem laotischen Rhythmus gerecht zu werden.

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