Dienstag, 1. Februar 2011

Stadtmystik

Zwischen 250 und 350 Treppenstufen führen, je nach Wahl des Aufgangs zum Phousi Hill, der majestätisch über Luang Prabang wacht. Ein kleiner Tempel überragt den Gipfel mit goldenem Spitz und reckt sich gegen den momentan leicht bedeckten Himmel. Seit wir hier angekommen sind  steigen Mei oder ich jeden Morgen in der Morgendämmerung durch den geisterhaft anmutenden Wald empor bis zum magischen Aussichtspunkt über der Stadt. Durch das Morgengrauen schwebt ein gedämpfter Klangteppich über der Altstadt. Die Hähne krähen, Hundegebell hallt durch die Gassen und sporadisch durchbricht ein Hupen oder Veloklingeln die Stille.
Ich sitze zwischen schwarzen Felsen mit Blick Richtung Norden auf den Mekong. Kühl zischt der Wind durch das Geäst. Reglos harren die goldenen Buddhastatuen zwischen dem Gestein und blicken gegen Osten. Himmel und Wolken scheinen zum Greifen nah. Die Einsamkeit über der noch ruhenden Stadt wirkt wohltuend. Die Natur hat mit dem Phousi Hill eine spirituelle Felsenburg errichtet, wo sich die Elemente treffen. Die Höhlen sind besetzt von liegenden, sitzenden und stehenden Buddhas, buddhistischen Symbolen und meditierenden Mönchen. Überall dominiert das leuchtende Orange der Kloster-Novizen. Das Leuchten kontrastiert die eher mattgrauen Farben des kühlen Morgengrauens. 
Das dunkle Gestein wird von historischen Mauern umgeben, die als Spiegelbild für die Vergangenheit eine 1500-jährige Geschichte erzählen. Als kulturelle und spirituelle Hochburg des Landes war sie auch bis 1975 der Königssitz und ist bis heute die heimliche Hauptstadt geblieben. Das Stadtbild ist geprägt von einer Vielzahl von Tempeln, die mit ihren goldenen Stupas und den typischen tiefliegenden Dächern eine sanfte Ruhe in die sich langsam belebenden Gassen tragen. 
Beim ruhigen Betrachten steigen mir die Rauchschwaden der vergangenen Jahrhunderte durch meine nicht zur Ruhe kommenden Gedanken. Von der Ferne ertönen die Mantras der morgendlichen Gesänge. Die Inspiration des Phousi-Hill wird zu einer Energiequelle, wo seit Jahrhunderten der Buddhismus den Tagesrhythmus bestimmt. Gepaart mit dem "Genius Loci" und dessen Naturgewalten weht an diesem Ort ein ständiger Hauch von Mystik.

 


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