Mittwoch, 23. Februar 2011

Geisterhaus




Er sei gross und schwarz gewesen und habe einen langen Stecken bei sich gehabt. Er habe Simea in den Arm geklemmt und sie habe ganz fest Angst gehabt. Danach sei sie sofort zu Simea gegangen und habe sie von dem bösen Geist weggezerrt. So erzählt mir Lia heute Morgen ihren Geistertraum.
Die Geister begleiten uns hier Tag und Nacht. Jeden Morgen pflegen wir unser Geisterhaus im Garten, geschützt unter Palmen und Tamarinden. Eine Kerze, ein Räucherstäbchen und manchmal noch ein Blume oder eine Opfergabe aus der Stadt werden von den Kindern in einem veritablen Morgenritual sorgfältig beim Häuschen platziert. Fast überall finden wir diese Orte der Geister, für welche mit viel Liebe jeden Tag gesorgt bzw. geopfert wird. Sowohl in Thailand wie auch in Laos sind diese Geisterhäuschen ein wichtiger Bestandteil der Alltagskultur.
Dieser Kult rührt in Laos vom Geisterglauben, der immer noch weit verbreitet ist und sich mit dem Buddhismus seit Jahrhunderten gut arrangiert hat. Die buddhistische Toleranz hat den Geistern ihren Platz im laotischen Alltag bewahrt. So spielt die Geisterwelt eine wichtige Rolle im sozialen Gefüge und dessen Gleichgewicht in Haus und Hof, in Familie, Quartier und Dorf. Oft werden die Geister mit Nahrung versorgt, da sie ansonsten die Menschen besetzen. Dies äussert sich dann oft in Krankheit oder Streitigkeiten. Neben dieser "sozialen" Rolle stehen die Geister auch mit den Naturgewalten im Bunde, sodass ebenso für Wetter, Reisfeld und Wald Geister zuständig sind.
Die Geister, hierzulande genannt "Phi", sollen fern vom Haus gehalten werden. Sie bewohnen oft Bäume und wirken meistens als Schutzgeister, wenn sie den nötigen Respekt der Menschen empfangen. Bei unserem Guesthouse ist ein Häuschen für die Hausgeister und eines für die Quartiergeister im Garten platziert. Im Haus drinnen, im obersten Stock, thront das Buddhahäuschen, das ebenso mit Blumen und anderen Gaben regelmässig versorgt wird. Dies zeigt uns, wie harmonisch Buddha mit den "Phi" zusammenlebt...
Der Geisterglaube hat sowohl den Buddhismus wie auch den Kommunismus in Laos überlebt und erfreut sich heute einer breiten Verankerung. So mischen sich die guten und bösen Geister selbstverständlich in den rituellen Jahreskalender. Das laotische Neujahr ist ebenso animistisch geprägt wie auch das bekannte Raketenfest.
Nuk, unser liebenswürdiger Patron des Hauses, ist ein leidenschaftlicher Florist. Er führt die Kinder in die Palmblättertechnik zur Herstellung von Opfergestecken ein. Der Garten ist voller Blumen und Blätter, die uns unmittelbar versorgen. Schon bald stehen die kleinen Kunstwerke in den beiden Geisterhäuschen und werden umweht vom Duft der Räucherstäbchen. Auf die Frage, inwiefern unsere Dienste der hiesigen Geisterwelt dienen, antwortet mir Nuk: "Die Geister wirken auf alle, sie verdienen von jedem Respekt." Mindestens für heute sollten uns die "Phi" gut gesinnt sein.

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