Samstag, 26. Februar 2011

Reisesinn Part II




Warum reisen wir mit Kindern? Ist doch die Kinderwelt noch so klein, dass der Ort des momentanen Aufenthaltes meist sekundär hinter existenzielleren Sorgen steht. Was können wir den Kindern mitgeben aus Eindrücken und Erfahrungen unterwegs? Wie können wir auf die alters- und entwicklungsbedingten Bedürfnisse eingehen? Kann denn das "Unterwegssein" den Kindern überhaupt Freude bereiten, oder ist der Wunsch und die Lust des Reisens schliessliche eine Angelegenheit der Erwachsenen? 
Die meisten Kinder im Vorschulalter sehnen sich eher nach Konstanz, Gewohnheiten und  Bekanntem als nach Abenteuer und Exotik. So halten uns die Bedürfnisse der Kinder auf dem Boden der Alltagsrealität: Schlafrhythmus, Essgewohnheiten und Spieltrieb sind Konstanten, die wir in Luang Prabang genauso akzeptieren müssen wie in Kehrsatz oder Ushuaia. 
Deshalb ist es unterwegs nicht immer einfach den unterschiedlichen Ansprüchen von junger und älter gerecht zu werden. Zu den altersbedingten Unterschieden gesellen sich zusätzlich die individuellen Charakterzüge der Kinder, die unweigerlich zu hartnäckigen Interessenkonflikten führen. So drängt sich die Frage auf, was das Langzeitreisen mit kleinen Kindern spannend macht. 
Der Sinn des Reisens mit Kindern liegt im Entdecken von neuen Orten, Menschen und Lebensformen. Durch den Rhythmus des Ankommens, des Einlebens und Verabschiedens entsteht eine dynamische Wahrnehmung der Zeit. Durch die ständige Bewegung, wird die Vergänglichkeit des Daseins, sowohl in der Natur wie auch in den menschlichen Machenschaften und Beziehungen bewusst. Flexibilität in Sprache, im Umgang mit kulturellen Symbolen und religiösen Traditionen üben die Kinder ebenso wie Toleranz und Geduld gegenüber dem Fremden und "noch Unbekanntem". Die Konfrontation mit dem "Anders-Sein" ist allgegenwärtig und wird quasi zur Normalität.
Auch wenn die Kinderwahrnehmung bis zum 6. Altersjahr viel stärker von Emotionen als von kritischer Vernunft gesteuert ist, fliessen viele Fragen in die "Warum-Phase" ein. Vor allem Lia fordert uns diesbezüglich immer wieder heraus. 
Die meisten Frage-Themen erreichen uns auf den Spaziergängen durch den Alltag: Der Umgang mit dem Tod, die Beziehungen zu den Tieren, die Dauerpräsenz von Buddha oder die Armut auf der Strasse und Feste und Feiern in den Hinterhöfen. Sowohl wir, wie auch die Kinder sind gefordert Emotionen und Erklärungen irgendwie unter ein Dach zu bringen. All dies bringt uns zum Sinn des Reisens mit Kindern: Interkulturelles Verständnis leben, fördern und gestalten im Fluss des Unterwegsseins, des Aufnehmens und Loslassens.

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