Samstag, 12. Februar 2011

Warum sie so arm sind

Die Armut ist umso einprägsamer desto krasser die Gegensätze zwischen dekadentem Luxus und alltäglichem Überlebenskampf sind. Dies wird auch dem naiven Kinderblick bewusst und so erleben wir hier dank dem gänzlichen Fehlen von offensichtlichem Reichtum eine "sanfte, ländliche Armut" ohne die Grossstadtgegensätze. Obwohl Laos beim Wohlstandsrating nach pro Kopf-Einkommen unter den ärmsten Ländern figuriert, zeigt sich uns die Armut erst auf den zweiten Blick. Umso mehr wir am Dorfleben hier teilhaben, uns so quasi in den Alltag hineinschleichen, fragen Lia und Simea immer wieder: "Warum sind sie so arm?"
Wir scheiterten schon oft, diese so wichtige Frage, einfach und kindergerecht zu beantworten. Wie können wir die komplexen machtpolitischen, soziokulturellen und entwicklungspolitischen Zusammenhänge stufengerecht herunterbrechen? Ist ein böser Präsident oder dummer König der Grund? Oder ist gar das Klima zu heiss zum Arbeiten? Oder ist die Natur zu wild für eine wirtschaftliche Entwicklung, die mit der unsrigen vergleichbar wäre? 
Ein Besuch in der Primarschule und im Kindergarten deckt schon ein Grund des Übels auf: Die meisten Kinder gehen, wenn überhaupt nur wenige Jahre zur Schule. Es fehlt an Schulmaterial und qualifiziertem Lehrpersonal. Die öffentliche Schule ist zu schlecht, als dass sie eine Grundlage für die Kinder wäre, irgendwelche Perspektiven für die Zukunft zu schaffen. Jede Ausbildung, die vielleicht etwas nützen könnte, kostet Geld, was fast niemand hat. Bei unserem Schulbesuch wir uns bewusst, wieviel Potential da brach liegt und sich nie wird entwickeln können. Lia und Simea basteln und singen im Kindergarten mit, als ob sie da zu Hause wären. Ich betrachte mit lachendem und weinendem Auge die sorglosen Kinderblicke, die unwissend in eine unsichere Zukunkft weisen. 
Laos hat in den letzten 20 Jahren eine wahre Kinderflut erlebt, was dazu geführt hat, dass sie heute die jüngste Bevölkerung Asiens aufweisen. Da über 60% der Bevölkerung unter 25-jährig ist, liegt die eigentliche Bevölkerungsexplosion erst noch bevor. Seit 3 Tagen sind wir denn auch umgeben von einer Gruppe von Dorfkindern, die uns auf Schritt und Tritt verfolgen, um Enya zu tragen, Simea die Hand zu halten und vor allem mit Lia zu spielen. Das Lachen, die Sorge um die Kleinsten und das unverdorbene Staunen lassen uns die Armut fast vergessen. Wir sind versucht, jegliche Gegensätze zu verdrängen, um die ländliche Kinderwelt intakt zu lassen.

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