Samstag, 1. Januar 2011

Ruhelos

Seit Jahren gilt die Kaohsan Road als Inbegriff der südostasiatischen Reiseszene. Bereits vor 20 Jahren traf man sich hier für Reisetips, Visas und billige Unterkünfte. Für eine Woche sind wir mitten in diesem lärmigen, bunten und pulsierenden Gassentreiben, das inzwischen trieft vor Kommerz, Neujahrstourismus und Partystimmung. Unser Rhythmus verschiebt sich in die Nacht hinein. Die Stimmung lädt nicht zum Schlafen ein. Wir verbringen Stunden in der grossräumigen und vom Stadtlärm durchfluteten Hotellobby mit unseren Freunden Lorea, Beni und Anja. Die Stadt stimuliert zu einer Ruhelosigkeit. Zum Atemholen, Nachdenken oder Schreiben scheint die Energie wie weggedröhnt durch den ständigen Rhythmus der Strasse. Die andauernde Reizüberflutung stimuliert, es bleibt aber keine kreative Musse zur Verarbeitung. Uns so driften wir in eine grossstädtische Oberflächlichkeit die uns schützt vor Atemnot und Ertrinken. Überhaupt scheint hier unter den tausenden von Touristen, die hier die Gassen verstopfen eine Partylaune zu herrschen, die nicht nur dekadent, sondern auch ziemlich ideenlos und langweilig daherkommt.
Im 24-Stundenbetrieb gehen Jahresrückblick und -ausblick, wie es ringsum den Globus gepflegt wird, im Rummel unter. Die CNN-Kommentare zu 2010 tropfen an mir ab, als ob meine Gedanken von den vollen Gassen und den endlosen Menschenmassen Bangkok's imprägniert wären. Nichts ist mehr zu spüren von den politischen Unruhen der sehr jungen Demokratie Thailand's. Die allgegenwärtige Präsenz des Königsportraits überdeckt jegliches öffentliches Politisieren. Die sich vor mir wälzenden Menschenmassen scheren sich einen Deut um den vergangenen heissen Frühling Bangkok's:
Es ist 4.00 Uhr morgens. Der Jahreswechsel liegt bereits hinter uns, während in Europa erst die Champagner gekühlt werden. Ich schaue mit einem Glas Gin-Tonic von der Dachterrasse hinunter in die immer noch überfüllten Gassen. Ich höre und sehe in dieser Nacht nur einen globalisierten Einheitsbrei mit eher britischer als amerikanischer Dominanz. Wie immer stimmen mich die Massen nachdenklich und ich beobachte nur noch zwei massige Thai-Frauen hinter ihren rollenden Küchen, die bis jetzt unermüdlich ihr Pad-Thai (Nudelgericht) gerührt haben. Langsam ist es Zeit für sie und für uns die Tische zu räumen. Die Ruhe wird nur kurz dauern, wie es die Grossstadt vorgibt. Nichts wartet hier, alles bewegt sich nach vorne, ins neue Jahr, mit einem Funken Hoffnung trotz der trägen Massen einer chaotisch vibrierenden Kaohsan Road im Westwind.

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