Samstag, 22. Januar 2011

Bergluft

Mit Daunenjacken, Wollmützen und farbigen Handschuhen warten die  Sonntagsausflügler, mehrheitlich Thais, vor dem grossen Holzschild auf dem Gipfel des Doi Inthanon in der Schlange, bis sie das lange erwartete Gipfelphoto knipsen können: The highest Spot of Thailand, 2565,3341 meters above sea level.
Kühl ist es unter dem moos-und flechtenbehangenen, grünen Vorhang des dichten Bergwaldes. Von Gipfelgefühlen kann für schweizerische Ansprüche keine Rede sein, da das Gelände zu flach ist und einen Rundblick durch die dichte Vegetation verunmöglicht wird. Der Aufstieg war für die meisten lange, aber nicht anstrengend, da eine gut ausgebaute Strasse bis zum Schrein des Herrschers über die Chiang Mai-Region aus dem 19. Jahrhundert führt. Die königliche Asche liegt genau auf dem höchsten Punkt des Landes. Ohne Strasse, hätten die meisten Thais wohl einen anderern Pilger-, bzw. Sonntagsausflugsort gewählt.
Unweit des Gipfels hat die thailändische Armee ihrem Königspaar zwei Pagoden zum 60. Geburtstag geschenkt. Beim Aufstieg auf die Terrassen der Mahnmale eröffnet sich ein gewaltiger Fernblick Richtung Westen, wo sich die burmesische Grenze im Dunst versteckt. Hier kommt doch noch so etwas wie Gipfelstimmung auf. Auch die Thais sind in ausgelassener Stimmung, der Berg strahlt als Pilgerort eine gewisse Magie aus, die sich durch das Abendlicht allmählich noch verstärkt.
Als Schweizer pflegen wir eine gewisse Hochstilisierung der Bedeutung der Berge und des Gipfelerlebnisses: Die Freiheit paart sich mit der Natur so, dass die Nähe der Götter spürbar wird. Nicht selten schwingt dann fern von den Alpen ein pathetischer Nachklang beim Thema "Berge" mit. Im Glanz der beiden Pagoden verspüren wohl auch die Thais so etwas Ähnliches. Allerdings habe ich bei den meisten den Eindruck, dass sie froh sind, nicht noch länger dem sehr kühlen Wind ausgesetzt zu sein.
Der erhabene Blick ins Tal überfliegt das Gebiet der Karen, einem Bergvolk, das in diesen teils sehr entlegenen Tälern, noch mehr oder weniger ursprünglich lebt. Sie wurden neben einigen anderen Minderheiten in dieser Region vom König in einem grossen Programm von der Opiumproduktion zur "nachhaltigen Berglandwirtschaft" umerzogen. Auch wenn diese Bergleute von Armut, Alkoholproblemen und einem immer grösser werdenden Touristenstrom geplagt werden, treffen wir auf sehr friedliche, zufrieden wirkende Gesichter, als wir in einem Dorf eine "Touristenrunde" drehen. Die Berge haben sie gezeichnet, die kühle Luft hält sie aktiv und die Nähe der Götter scheint ihnen immer noch sicher zu sein.