Samstag, 8. Januar 2011

Sea-Front

Irgendwie ungewollt sind wir auf einer Party-Insel gelandet, die ihren thailändischen Charme auf den ersten Blick völlig verloren hat. Die ganze Westseite Ko Chang's gleicht einem debilen Jahrmarkt, wo überall dasselbe angeboten wird für eine Kundschaft, die nicht mehr weiss, was sie noch nicht konsumiert hat. Die sonst so natürliche Freundlichkeit der Thais ist verständlicherweise je mehr getrübt desto grösser die Anzahl der zu bedienenden Touristen ist. Trotz der momentanen Hochsaison, sind nicht alle Bungalows und Zimmer besetzt. Liegt es an den politischen Unruhen im letzten Frühling? An einer Wirtschaftskrise? An veränderten Reisetrends?
Da wir nichts gebucht haben, sind wir in einem trendigen Ort der Travellerszene neben Müllhaufen und Kuhfladen im Hinterhof gelandet. Die Stimmung ist gedämpft. Enya leidet an Schlafmangel und trotzt sich die Müdigkeit aus dem Leib. Dazu kommen die unangenehmen Geräusche der Filmvorführungen, die jeden Abend auf der Leinwand über dem Meer abflimmern und die Strandparties, die jeden Abend ins Meer hinausdröhnen. Wir sind von den wuchernden Tourismusemissionen eingehüllt.
Entweder wir ziehen da sobald wie möglich fort oder wir versuchen hier langsam vom Hinterhof an die Sea-Front vorzurücken. Wir entscheiden uns für die zweite Option und siehe da, am dritten Tag schaffen wir es dank Beziehungen in die 2. und 3. Reihe. Wieder mit dem Meer vor der Türe steigt die Stimmung schlagartig an. Wir bemerken, dass hier alle nur ein Ziel haben: die erste Reihe in der Sea-Front. Wer dies einmal geschafft hat, geht nicht mehr so schnell von hier fort, denn der "Siam Hut" ist der billigste und bekannteste Treffpunkt für Langzeitreisende auf Ko Chang. Langsam leben wir uns ein und heute nachmittag werden wir sogar eingeladen, morgen in die erste Reihe vorzurücken. Die einen da vorne verbringen seit 17 Jahren hier den Winter, die anderen haben 2 Wochen in der Bungalow-Schlange gestanden, tja und wir schaffen es mit dem Grossfamilienbonus nun nach 3 Tagen im Müll und 2 Nächten in Warteposition unter die Privilegierten.
Dieses Spiel können sich die Reisenden leisten, die Zeit haben, denn Reservationen und sonstige Sonderwünsche gibt es hier nicht. Wir merken aber auch, wie ein solcher Ort verlockend werden kann zum Hängenbleiben. Nach einem anfänglichen Stimmungstief in diesem für uns wieder neuen Milieu, haben wir uns gegen die negativen Tourismusemissionen gewehrt. Mit dem Einstieg durch den Hinterhof sind wir hier trotz allem authentisch gelandet. Wie lange dauert es wohl bis wir uns an der Sea-Front an eine gewisse Authentizität zurücksehnen werden?