Donnerstag, 6. Januar 2011

Happy New

Frühenglisch ist selten ein grosses Vergnügen für die unter dem Leistungsdruck der Erwachsenenwelt stehenden Kinder. Trotz didaktischem Geschick im Umgang mit der Kindersprache bleibt die frühe Förderung oft in einem Umfeld hangen, wo der Sinn des Sprachenlehrens für die meisten Kinder nur schwer nachvollziehbar ist. Aus diesem Grund ist das Reisen das geeignete Instrument, den Kindern die Vielsprachigkeit der Kulturen und die Tücken der Kommunikation näherzubringen.
Lia geht als grosse Schwester allen voran und hat inzwischen ein Small- Talk-Niveau erreicht, das sie sich mit den Thais bestens verständigen kann. Dass die meisten Thais nicht über dieses Niveau hinauskommen, stimmt mich immer wieder nachdenklich, oft nervt es mich sogar. Umso mehr, wenn ich beobachte, wie wenig es bei den Kindern braucht, bis sie die Sprache im Alltag ganz natürlich und hemmungslos anwenden.
Simea hat sich lange zurückgehalten mit dem Englisch. Als sie merkte, wie Lia sich mit den Philippinos unterhalten hat, wurde sie aber auch neugierig. Da wir nun mit Lorea, die zudem noch Logopädin ist, unterwegs sind, hat auch Simea gemerkt, dass ohne Englisch nur ein beschränkter, nonverbaler Austausch möglich ist. Schnell kippte die pure Neugier in einen gewissen Ehrgeiz, Dinge in Worte zu verwandeln, Sätze zu verstehen und zu bilden, die Welt sprachlich abzubilden. Simea's Sprachfehler im Deutschen sind im Englischen viel weniger präsent und so tönt das Ganze schon recht vielversprechend. Verwirrend wirkt nur, dass Mei und ich mit Lorea die ganze Zeit Spanisch reden. Irgendwie ist dies eine Sprache zu viel für das momentane Auffassungsvermögen.
Der grosse Star in unserer frühenglischen Mädchenklasse ist aber einmal mehr Enya. Sie steckt in jener hochspannenden Sprachentwicklung, wo die Zuordnung von Objekten und Lauten die wichtigste Tagesbeschäftigung bedeutet. Noch zu klein, um Sprachen zu unterscheiden, plappert sie alles unaufhörlich nach. Inzwischen sind Silben auf Englisch, Deutsch und manchmal sogar Spanisch ein bunte Lautmischung, die sowas wie ein naives Esperanto erahnen lassen: eine frühkindliche Ursprache mit eigener Melodie und charmanter Verspieltheit. Da sich das Englisch oft als einfachere Variante erweist, bleibt das Deutsche auf der Strecke. Schon lange winkt Simea "Bye Bye", das erste Wort beim Aufstehen ist "Morning" und seit einer Woche ist der neue Hit "Happy New". Das Year lässt sie fallen, wie so oft auch andere Silben oder Worte, da sie genau merkt, wieviel es braucht, bis jemand sie versteht. Dies hat zu einem phänomenalen Sprachminimalismus geführt, der quasi die Redukution auf das Wesentliche der Esperanto-Melodie bedeutet. Als wir heute morgen unter den Palmen spazierten, krachte hinter uns plötzlich eine riesige Kokosnuss auf den Boden. Enya, kaum erschrocken, kehrt sich um und meint in einer verschmitzten Selbsverständlichkeit: Nuts bumm!