Samstag, 27. November 2010

Manila-Papier

Die Pinwand ist etwas kleiner als üblich, der Seminarraum kühl durchlüftet mit frischem Bergwind und das aufwärmende Morgenkaffee schmeckt wie üblich nach Cream-Pulver. Ich stehe mit Tom und Rolf im Bambus-Coffee-Shop und mischle im Hintergrund beim "Training Day" mit, der zum Ziel hat die lokalen Jäger zu Wanderführern auszubilden. Wir befinden uns im Norden der Insel Luzon, in einem Hochtal, das nie wirklich von den Spaniern besetzt wurde: Sabangan, ein Widerstandsnest, das immer wieder von sich reden machte, sei es beim Protest gegen ein riesiges Staudammprojekt des Marcos-Regimes oder bei der Revolte gegen eine libanesische Holz-Firma.
Rolf und Pia, Mitarbeiter der BMI (Betlehem Mission Immensee) haben hart gearbeitet, bis dieser Ausbildungstag zu Stande kam. Die Voraussetzungen stimmen heute, die meisten Interessenten für den Wanderführer-Job sind anwesend. Mit leichter Nervosität beginnt das Programm mit ca. 1 Stunde Verspätung und schweizerischen Herbsttemperaturen. Die Sicht auf den Mt. Kalawitan, der drittgrösste Berg der Philipinen, ist nach wie vor durch einen Nebelvorhang getrübt. Doch eben dieser Gipfel steht im Zentrum unseres Interessens.
Mit der Wanderung zum Gipfel ist eine Idee entstanden, die einen nachhaltigen Ökotourismus im wilden Hochtal, wo sich die Reisterrassen wie leuchtende Teppiche den Hängen entlang ausbreiten, entwickeln soll. Dort wo nichts mehr kultiviert wird, sind die steilen Hänge vom ursprünglichen "Mossy Forest" überwachsen. Ein Gebiet, dass durch unkontrollierte Jagd fast keine Säugetiere mehr beheimatet. Mit der Wanderführerausbildung sollten die zukünftigen "Guides" ihre wilde Jagdvergangenheit mit neuen Ideen verarbeiten, sodass sich das Ökosystem erholen kann.
Alle Teilnehmer sind so motiviert, dass der "schweizerische" partizipative Workshopstil sehr gut funktioniert. Das "Manila-Papier", bei uns bekannt als Flip-Charts, wird rege benutzt und konstruktiv gefüllt. Auch wenn der heutige erste Ausbildungstag ein Erfolg ist, bleibt der Weg zu einem nachhaltigen Tourismus, der sowohl eine gewisse Wertschöpfung generiert wie auch eine ökologische Aufwertung erzielt, steinig und anstrengend.
Leicht ermattet und doch noch bereit für einen Schlummertrunk werden wir am Abend zur Geburtstagsfeier des einjährigen Sohnes eines Kursteilnehmers eingeladen. Pechschwarzer Schokoladekuchen, kitschig süsser Hörnlisalat und Zuckerspaghetti umrahmen die Ginflaschen, die in der reinen Männergesellschaft herumgereicht werden. Ebenso gemütlich wie aufschlussreich sind dabei die Small-Talks der immer gesprächiger werdenden Wanderführer. Als Qualitätmerkmal des gelungenen Abends erhält Rolf am nächsten Morgen ein SMS vom Gemeinderat: "I ok still drunk"!