Montag, 29. November 2010

SOP

Die Perle Asiens gilt für Entwicklungs- und Schwellenländer als eine relativ alte Demokratie.  Die politischen Rahmenbedingungen lehnen sich stark an das amerikanische Zwei-Kammern-System, das sich im 20. Jahrhundert etabliert hat. Verfassung und Gewaltenteilung haben es aber nie geschafft, Vertrauen in das philippinische Polit-System zu bringen. Das Land leidet an einem durch alle politischen Institutionen wuchernden Geschwür: Standard Operating Procedure, kurz SOP, übersetzt "üblicher Gang der Dinge", im Klartext Korruption!
Ich bin mit Tom unterwegs auf der frisch fertiggestellten Strasse zwischen Lagawe und Bontoc. Der Weg führt durch dicht bewachsene Steilhänge. Dort wo die Hänge etwas abflachen leuchten Gemüse- und Reisfelder. Die Passstrasse ist oft nur einspurig befahrbar, da während der Regenzeit ständig Erdrutsche die Strassen verschütten oder teilweise wegreissen. Obwohl diese Strasse erst gerade fertig erstellt wurde, hinterlässt sie bereits wieder den Eindruck einer ewigen Baustelle.
Wir halten bei einem weiteren weggerutschten Teilstück an, um der scheinbar nicht eindeutigen Ursache auf den Grund zu gehen. Doch für Tom gibt es keine Zweifel: Ein weiteres Musterbeispiel, wie öffentliche Gelder verschwinden und die Infrastruktur deshalb schwächen. Die Stützmauer wurde statt mit Zement mit Lehm vermörtelt, damit die budgetierten Zementsäcke privat verkauft werden konnten. Das Fundament unter dem Strassenbelag fehlt, weil ein Teil des Budgets in der Gemeindeadministration hängenblieb und überall wurde gespart, so dass genügend Geld in die Taschen von Bauunternehmen, Politiker und Zwischenmänner floss. Aus diesem Grund rutschten ca. 100 Meter einer Fahrbahn, 3 Monate nach der Fertigstellung, in die anliegenden Reisfelder ab. Beim zuständigen Amt heisst es "Under Investigation, maybe burst of watertube."
Solche Geschichten sind keine Ausnahme, denn zwischen 30 und 50% des Staatshaushaltes verschwindet zweckentfremdet in einem sozial stabil kontrollierten Netzwerk. Die Schalthebel der Macht auf allen politischen Ebenen sind so sicher und ständig geschmiert. Der Kampf gegen die Korruption kommt dem Anrennen gegen Windmühlen gleich.
"Good Governance" wird zur gut gemeinten Illusion, die jeden Aussenstehenden entrüstet, der den Glauben an Wohlfahrts- und Sozialstaat noch nicht verloren hat. Nachdenklich fahren wir weiter bis zum nächsten Erdrutsch und jedesmal bleibt bei mir die Frage zurück: Naturgewalt oder politisches Fiasko?