Montag, 22. November 2010

Unterwasser

Zu erahnen, was sich unter der Meeresoberfläche alles abspielt, ist für den  Tauch-Laien ein Unterfangen der Unmöglichkeit. Beim Ausblick über das weite Meer liegt einem eine Parallel-Welt so fern, weil die Meeresatmosphäre über Wasser die Sinne normalerweise auslastet.
Dank unserer Unerfahrenheit in Sachen Tauchen steigen wir entsprechend naiv und ohne grosse Erwartungen ins Schnorchelerlebnis. Schon nach kurzer Zeit werden wir überwältigt von einer spektakulären Überraschung. Im glasklaren Wasser sehen wir zwar wenig Fische, die Sicht ist aber prächtig und wir folgen dem Seegras bis wir auf einen riesigen Panzer stossen: Meeresschildkröten! Und während wir völlig begeistert den ruhigen, friedlichen Kolossen zuschauen, erfährt Tom, der in unserem Haus zurückgeblieben ist, von der Putzfrau, dass vor unserer Türe eine kleine Kolonie von diesen faszinierenden Tieren lebt. So tauchen wir tagtäglich mit den neuen Freunden auf der Pandan Island, in der Nähe der Insel Mindoro, 300 km südlich von Manila.
Die Welt unter Wasser erschliesst uns ein völlig neues Universum, eine andere Sicht der Dinge, wie es jedem Taucher eben ergehen kann: Eine Welt in scheinbarem Zeitlupentempo im sich dauernd bewegenden Licht der tropischen Sonnenstrahlen, eine Welt der Schwerelosigkeit, wo Raum und Zeit sich im leichten Wellengang vergessen, eine Welt in der sich eine Vielfalt von Lebewesen in unscheinbarer Schönheit versteckt und plötzlich offenbart.
Das Staunen verlangt auch Respekt, vor allem für den sorglosen Tauchanfänger. Unverhofft erblicke ich einen bunt schillernden Fisch, der gerade auf mich zusteuert. Meine Sorglosigkeit verschwindet schlagartig, als ich merke, dass dieser mich entschlossen angreift. Verwundert möchte ich den Rückwärtsgang einschalten. Ohne mein Wille werden meine Bewegungen etwas rückartiger und ich versuche den Angreifer loszuwerden. Ich schaffe es einfach nicht ihn abzuschütteln, während dieser ständig darauf zielt, mich zu vertreiben, bis er schliesslich meinen Zehen erwischt. Ich bin verblüfft ob diesem Kampfgeist und versuche möglichst schnell an Land zu kommen. In dieser scheinbar so friedlichen Unterwasserwelt gibt es also doch ziemlich unangenehme Kerle! Was war das wohl? Bei der Tauchschule erfahre ich es genau: Ein Triggerfish, der sein Nest beschützt kann ganz schön agressiv sein Revier verteidigen und mit seinem kräftigen Kiefer sogar Korallen knacken. Deshalb bin ich im Moment froh, dass mein Zehe zwar verbissen, aber immer noch ganz und ungebrochen weiterlebt.