Freitag, 8. Oktober 2010

Authentisch

Der Regenwald dampft, Hunde lungern auf den langsam einwachsenden, mit Schlaglöchern durchzogenen Strassen herum, die Girls und la Mama sitzen hinten auf dem Pick-Up, il Papa am Steuer im kleinen, heissen Suzuki. Wir sind auf der Suche nach dem kleinen Fischerdorf, das in Reiseführern als "besonders authentisch" angepriesen wurde. Überzeugt am richtigen Ort zu sein, treffen wir nur auf eine Ansammlung von aus dem Boden gestampften Fertighäusern, die eher von Ikea stammen als von hiesigen Fischern.
Endlich finden wir die Wasserfront mit den klassischen Thai-Pfahlbauten und dem Fischgeruch, wie wir ihn erwartet haben. Allerdings dringt bald der Müllduft unter den Häusern hervor und die Stimmung in dieser etwa hundert Meter langen Häuserzeile ist geprägt von einem herumgrölenden Betrunkenen und kichernden Mädchen sowie fetten Frauen, die vor ihren Hauseingängen sitzen, tendenziell eher liegen. In jedem Haus läuft mindestens ein Fernseher und in jedem zweiten ein anscheinend wichtiger Thai-Boxkampf.
Wir werden von zögernd freundlichen, eher skeptischen Blicken begleitet, als unsere Mädchen durch die Gasse ziehen. Dank dem zurückgezogenen Meer finden wir den Weg zwischen gestrandeten Fischerbooten und mit Muscheln übersäten Felsen zur gegenüberliegenden Insel, die irgendwie eine Idylle verbreitet. Mangroven verteilen sich sporadisch über die vom Meer befreite Fläche und bilden mit ihrem Wurzelwerk skurrile Formen. Angekommen auf der kleinen Insel, die übersät ist mit Krabbenfanggittern und Fischernetzen, blicken wir zurück zum Gipsy-Village, das umsäumt ist von diesen modernen Bungalows, die wir einfach nicht richtig in dieses Bild hineinverstehen können. Später erfahren wir, dass das völlig daneben geratene Ikea-Design, ein Produkt der Tsunami-Gelder ist, die in Form eines Wiederaufbauprojektes die traditionellen Dorfstrukturen regelrecht über den Haufen geworfen hat. Der Tsunami hat hier anscheinend gar keinen Schaden angerichtet, ausser dass jetzt die Touristen nicht mehr kommen, da es vorbei ist mit der Authentizität dieses kleinen Fischerortes…Vielleicht profitiert das Dorf letztendlich doch noch von der Tsunamihilfe, da  bald keine dummen Touristen mehr die Stimmung des Dorfes verändern und sich wiederum ein authentisches, wenn auch nicht vermarktbares Gesicht eines Dorfcharakters entwickelt. Absurd diese ganze Geschichte, aber doch ein Spiegelbild des thailändischen Tsunami-Tourismus-Zusammenspiels.