Samstag, 30. Oktober 2010

Nirgends wohnen

Morgen ziehen wir weiter. Nach 1-monatiger Sesshaftigkeit hüpfen wir eine Insel weiter, bevor wir nächste Woche wieder aufs Festland zurückkommen. Alle sind hier gut eingelebt, vor allem die Kinder. Doch es zieht uns trotzdem weiter. Die Wanderlust lässt uns loslassen vom vertraut Gewordenen hier auf Ko Lanta. Das "Zuhause-Fühlen" das uns für die Kinder so wichtig erscheint, ist nicht notwendig an einen Ort gebunden. Wir bilden als Familie eine Art Wolke, die nie ruht, sich stetig verändert und trotzdem beständig weiterexistiert. Was beim alleine Reisenden das Selbst, seine Identität ist, wird in der Familie vor allem für die Kinder das kleine Kollektiv: Eine Gruppenidentität, die auf der Wanderschaft für Konstanz sorgt. Das "Unterwegs-Sein" hat sich bei Lia schon zu einer Selbstverständlichkeit entwickelt, die durch immer neu gesteckte Ziele genährt wird. Simea sucht hingegen an jedem neuen Ort Orientierung, Gewohnheiten und Privatsphäre, die sie erstaunlich schnell auch wieder findet. Enya ist nach wie vor der sorglosen Neugier verpflichtet, wo sie überall und nirgends zu Hause ist. Und wir Eltern versuchen das Nomadisieren als Übung des Loslassens, des Ankommens und des Abschiednehmens zu betrachten. Das Reisen als "Nirgends wohnen" verabschiedet sich von den Formen des Festhaltens und des Besitzen-Wollens. Bereits sehen wir ein, obwohl wir nicht besonders viel Ballast mit uns herumtragen, dass unser Reisegepäck eigentlich viel zu gross ist. Vor allem bei den Kleidern besteht noch ein enormes Abbaupotential, solange das Klima heiss ist. So nehmen wir uns vor, langsam Unnötiges loszuwerden. Die Herausforderung der Reduktion aufs Wesentliche beginnt einmal mehr. Nirgends wohnen heisst auch, nicht an sich selbst festhalten, nicht in sich selbst verharren, sondern sich dem Fluss der stetigen Veränderung hingeben.
Das Loslösen von einem Zuhause löst zuerst Unsicherheiten aus, kann das Gefühl der Freiheit in Orientierungslosigkeit und Ohnmacht verwandeln. Es birgt aber ebenso Potential zur Erneuerung und zur Besinnung, was uns die Kinder mit ihrer spontanen Kreativität an den unmöglichsten Orten immer wieder vorzeigen. Unabhängig von Wetter, Hotelzimmerqualität oder Spielzeugmöglichkeiten: Der Augenblick versteckt immer wieder Überraschungen, die der Kinderphantasie entspringen. So wird aus dem Fusswaschbecken plötzlich eine Badewanne, ein Bananenblatt dient als Flugzeugflügel für ein Weltreise, oder die Hängematte wird zu einem Piratenschiff.

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